Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 109.jpg

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junge Gärtner, der sich mit Baumzucht bekannt machen will, als Leitfaden wählen sollte, aus welchem jeder Gartenfreund die Erziehung und Behandlung seiner Spalierbäume u. s. w. schnell und mit leichter Mühe erlernen kann.

Wir wollen den Hauptinhalt nur kurz erwähnen und ersuchen die verehrliche Redaktion, einen kurzen Abschnitt in einem der nächsten Hefte besonders mitzutheilen, womit am besten der Beleg für die allgemeine Brauchbarkeit der in Rede stehenden Schrift gegeben werden kann.[1]

Das erste Kapitel enthält kurze Bemerkungen über die Entwicklung der Holzpflanzen, eine kurze Terminologie und Physiologie ihrer Haupttheile und wichtigeren Organe. Hier hat Jäger einige zweckmäßige Berichtigungen beigefügt, so namentlich wird pag. 6 gesagt, daß die Pflanze durch die Wurzeln Stoffe ausscheide, welche für dieselbe Art Gift seyen, und deßhalb dürften Obstbäume nicht sogleich wieder an Stellen gesetzt werden, wo vordem solche gestanden. Mit allem Recht erklärt Jäger diese Regel der Praxis dadurch, daß der vorher da gewachsene Baum alle löslichen unorganischen Nährstoffe, die für denselben nöthig waren, verbraucht, und es also für einen folgenden der gleichen Art an solchen mangeln müsse. – Im Allgemeinen wird dieser erste Abschnitt wohl am wenigsten befriedigen, indem er oft gar zu kurz und ohne wissenschaftliche Schärfe gegeben ist; allein es konnte auch nicht der Zweck des Buches seyn, hier ausführlicher zu schildern.

Das zweite Kapitel enthält kurze und sehr zweckmäßige Regeln über den Baumsatz, die Spaliere, Mauern und Schutzvorrichtungen. Es ist hier unter anderem gerathen, die Bäume in gutem Boden zu erziehen, denn solche kämpften viel besser gegen den Einfluß eines schlechteren neuen Bodens, als Bäume in einem geringen Boden erzogen. Eine eigenthümliche aber sehr praktische Maßregel ist die, daß man die Erde um die frischgesetzten Bäume herum mit einer Decke von kurzem Mist oder irgend einer ähnlichen Streu zum Schutz gegen das Austrocknen versehe. Es wird dies pailli genannt, was allerdings gewöhnlich, wie Jäger bemerkt, fälschlich durch „mit Stroh bestreuen“ übersetzt wird. Es ist diese Methode allgemein zu beachten und trägt sicher ungemein viel zum guten ungestörten Anwurzeln bei. Als die geeignete Höhe der Mauern wird 8–9′ angegeben und die Lage derselben gegen Ost und West, also ihre Richtung von N. nach S. empfohlen. Die Latten der Spaliere sollen bei Birnen ¾′, für Pfirsiche nur ½′ weit seyn. Die empfohlenen Schutzvorrichtungen sind in jeder Hinsicht zu beachten. Am Schluß dieses Abschnitts erwähnt Jäger noch der Talutmauern, die zu kleinen Treibhäusern eingerichtet werden können, indem große Fenster vorgestellt werden, unter deren Schutz selbst in Norddeutschland die spätreifenden italienischen und spanischen Trauben ihre volle Reife erlangen.

Die zweite Abtheilung enthält die Regeln über den Schnitt der Obstbäume; als Endzweck desselben gilt, den Bäumen eine regelmäßige schöne Form zu geben, sie fruchtbar zu machen, sie fortwährend fruchtbar zu erhalten, größere und bessere Früchte zu erziehen und die Lebensdauer der Bäume zu verlängern. Die verschiedenen Arten von Zweigen sind gut beschrieben und sehr deutlich abgebildet. Die verschiedenen Methoden und Praktiken, die bei dem Winter- und Sommerschnitt vorkommen, sind sehr gründlich beschrieben und erklärt; das Wort Pincement ist ganz zweckmäßig mit „Entspitzen“ übersetzt und letzteres sehr empfohlen. Der nun folgende Abschnitt über den Schnitt der Pyramiden ist recht faßlich geschrieben; es ist in mehreren guten Zeichnungen jeder Schnitt, der vorkommt, genau gezeigt, und der Grund eines jeden Schnitts erklärt. Auch wie schlechtgezogene Pyramiden durch den Schnitt wieder in Ordnung gebracht worden, ist besonders geschildert (ein für viele deutsche Gärten wichtiger Gegenstand.) Eine uns neue Art der Pyramide, die Flügelpyramide, bei der die Aeste in fünf gleichlaufende Längslinien vertheilt sind, so daß ein solcher Baum zwischen jeder Zweiglinie einen beträchtlichen Zwischenraum bis zum Stamm hin hat, verdient jedenfalls die Beachtung der Obstzüchter, obgleich man dieselben Vortheile durch die Etagenpyramide (eine Art Armleuchterpyramide) wird erreichen können, nämlich vollen Einfluß von Luft und Licht auf die Früchte und das innere Fruchtholz.

Daß das Kap. 4. Schnitt der Bäume am Spalier, mit besonderer Sorgfalt bearbeitet ist, bedarf wohl kaum der Versicherung. Für das Kernobst ist die Erziehung des Herzstammspaliers und für die Apfelzwergbäume der Winkelzug an der Drahtschnur anempfohlen und beschrieben. Bei der Bildung des Pfirsichspaliers sind alle Fälle, günstige wie


  1. Ist schon in diesem Heft geschehen.
    Die Red.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_109.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)