Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 171.jpg

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fragen, warum ist, eines so sicheren und wenig umständlichen Mittels ungeachtet, bis jetzt der grünen Spannerraupe noch so wenig Einhalt geschehen? Ich antworte darauf, weil die unbegreifliche Indolenz der meisten Baumgutsbesitzer diesem Insekte helfend zur Seite tritt, und weil, was noch unbegreiflicher ist, die Behörden ungeachtet der großen in vielen Jahren zu Tage tretenden Calamität nicht dazu thun, daß die Faullenzer und Gleichgültigen, welche der Sorgsamkeit fleißiger Nachbarn die sonst sicheren Erfolge durch ihre Trägheit rauben, aus dieser aufgerüttelt, und mit Strafen zu dem angehalten werden, wozu sie schon in ihrem eigenen Interesse eine dringende Aufforderung finden sollten. Weit weniger möchte ich es der Unbekanntschaft mit dem Mittel selbst beimessen, wenn seither nur in geringem Umfange gegen den Frostschmetterling operirt wurde, denn an Belehrungen und Mahnungen haben es unsere landwirthschaftlichen Blätter nicht mangeln lassen. Meines Wissens bestehen bis jetzt nur in einigen kleineren Staaten Zwangsvorschriften für die Anwendung der Mittel gegen den Frostschmetterling, in anderen Staaten ist das Wegnehmen der Raupennester des Goldafters, dem, ich möchte es behaupten, nicht fünf Prozent der Schädlichkeit im Vergleich zur grünen Spannerraupe beizumessen sind, bei Strafe geboten, während der Hauptübelthäter bis jetzt noch im Besitze eines Freipasses sich befindet. Das Zweckmäßigste, was bei solcher Lage der Dinge geschehen kann, scheint mir daher, daß unsere landwirthschaftlichen Vereine und intelligenteren Landwirthe bei den Staatsregierungen darauf dringen, daß durch Zwangsvorschriften die allgemeinste Anwendung der Schutzgürtel zur rechten Zeit und in rechter Weise sicher gestellt werde. Es kann darüber gar kein Zweifel aufkommen, daß ein solches Gebot auf das Vollständigste sich rechtfertigt. Wer will nur den Fuchs verfolgen und dem Wolfe einen Freipaß gestatten. Die großen, nicht selten mehrere Jahre andauernden Verluste welche, wie ich viele Fälle kenne, in solchen Gemeinden, wo das Obst für die Einwohner die bei Weitem bedeutendste Einkommensquelle bildet, viele Familien in wenigen Jahren an den Bettelstab bringt, und alles Interesse an dieser Kultur ertödtet, muß schon allein den Landesbehörden den vollwichtigsten Grund zu Einschreitungen aus Rücksichten der Landeswohlfahrt abgeben; es kommt aber auch hinzu, daß, wie schon oben angedeutet wurde, der Fleißige, der Aufmerksame durch den Trägen an einer wirksamen Abwehr des grünen Spanners gehindert wird. Denn einestheils gehen die weiblichen[WS 1] Schmetterlinge, welche in der obengedachten Zeit ihre meist in der Nähe der Bäume einige Zoll tief in der Erde befindliche Puppe verlassen, auch auf die nahestehenden Obstbäume des fleißigen Nachbarn über, anderntheils steht es nach der Erfahrung fest, daß die grünen Spanner, haben sie auf dem Baume alles weggezehrt, ihr volles Wachsthum aber noch nicht erreicht, sich einen anderen nahe stehenden Baum, den oft der fleißige Nachbar mit Schutzgürtel gegen den Schmetterling versehen hat, aussuchen und auch diesen durch ihre Weide entblättern. Das Mittel ist auch, richtig angewendet, sicher; den Zusammenhang zwischen Mittel und Wirkung begreift schon ein Schulknabe von sechs Jahren, darüber ist also gar nicht zu streiten. Endlich ist es weder in Absicht auf die Arbeitszeit noch bezüglich der Auslagen theuer, Anlage und Unterhaltung bestehen

in einer so einfachen Arbeit, daß

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wirklichen (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_171.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)