Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 239.jpg

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Verwundung beigebracht werde; sowie
b) an der Pfropfstelle eine totale Vermaserung und Verknorpelung entstehe, welche dem raschen Aufsteigen und Absteigen der Säfte, und somit dem Wachsthum und der Fruchtbarkeit für das ganze Leben ein zu großes Hinderniß entgegensetze[WS 1], das mit den Jahren nur zunehme;
2) in der Beschaffenheit des Pfropfreises, durch welches
a) alle Krankheiten, die der Mutterstamm habe, auf den jungen Pflänzling mit hinübergenommen und vervielfältigt würden, oder welche man
b) vielleicht von solchen Obstsorten nehme, die nach dem Gesetze der Vergänglichkeit aller organischen Wesen, die Periode ihres Lebens schon ziemlich ausgelebt hätten.

Wir wollen, um uns die Beantwortung dieser Punkte zu erleichtern, zuförderst einige allgemeine Erinnerungen voranschicken, und es fühlbar machen, daß man bei den Klagen über die mancherlei Mängel veredelter Bäume und bei dem Rühmen des Gegentheils an den der Natur überlassenen Sämlingen die Sache übertrieben hat (man sehe namentlich die oben beigebrachten Ansichten und Aeußerungen des Hrn. van Mons[1] und von einzelnen Erscheinungen gleich den Schluß auf das Allgemeine machte, ohne die vielen Ausnahmen auf der einen oder andern Seite zu beachten, die doch, wenn die Sache wirklich so wäre, wie man meint, kaum stattfinden könnten. Es wird überhaupt bei allen den Aeußerungen über wahrgenommene Verschlechterung an den älteren Obstsorten nicht übersehen werden dürfen, wie diese Klagen so oft nur ihren Grund darin haben, daß im Fortgange des Lebens unser Maßstab, nach dem wir die Güte und Gesundheit einer Obstvarietät beurtheilen, ein ganz anderer geworden ist, während wir geneigt sind, die Aenderung in den Dingen selbst zu suchen. Herr van Mons meint, in seiner Jugend seyen St. Germain, Bergamotte Crassane etc. noch besser gewesen und hätten die jetzt an ihnen wahrgenommenen Fehler bei weitem nicht in dem Maaße gehabt. Nun! wer weiß es nicht, wie in jungen Jahren manche Obstfrucht uns preiswürdig, delikat und höchst schätzbar erschien, über die wir später anders urtheilen, – und anders wird das Urtheil ausfallen, wenn wir erst mehrere Hunderte edler Früchte kennen und darunter solche, die frei von Steinen (im Fleische) sind, sich besonders tragbar zeigen, an Krebs nicht leiden etc., als zu der Zeit, wo sich unsere Obstkenntniß auf wenige der bekanntesten Varietäten beschränkte. Als die schöneren doppelten Georginen vor einer Reihe von Jahren zuerst aufkamen, da war auch alle Welt der Meinung, die älteren gefüllten Sorten hätten sich verschlechtert und seyen ausgeartet, während doch nicht diese, sondern die Vorstellungen der Blumenliebhaber über die vollendete Schönheit einer Georgine sich geändert hatten. Ich habe Picta formosa Turban Zwerg, Neue Rose, Lord Althorp und andere alte Georginen, zur Erinnerung an das Alte, noch 1853 und 1854 blühend gehabt, und

finde sie noch immer ebenso vollkommen,


  1. Daß Hr. van Mons, seiner Theorie zu Liebe, gern und öfter etwas übertrieb, davon sehe man ein besonderes Beispiel in dem Lobe, welches er seiner Colmar Navez in einem Briefe an Bivort gab (Album III, S. 17), wo Bivort selbst das zu stark aufgetragene Lob etwas zu entschuldigen sucht, oder in seinem Urtheile über seine Princesse Marianne im Allgemeinen Garten-Magazin I. S. 85.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: entgegensetzte (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_239.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)