das nicht von der Art der Veredelung ab, sondern von der Geschicklichkeit dessen, der sie anwendet. Wenn nun Jemand vor Kurzem behauptet hat, daß das Pfropfen in die Rinde bei Pflaumen nicht anwendbar sey, so kann ich das Gegentheil thatsächlich an nicht wenigen Exemplaren beweisen. Ebenso wenig kann ich der Behauptung beitreten, daß das Pfropfen der Pflaumen- und Kirschbäume so früh als möglich geschehen müsse, und daß es nach dem Monat März selten gelinge. Ich habe am 25. Mai v. J. mit dem besten Erfolge Pflaumenbäume in die Rinde gepfropft, in der ersten Hälfte des Mai sehr oft, und immer bemerkt, daß nichts dem Gedeihen der Reiser nachtheiliger ist als das Zurücktreten oder Stocken des Saftes bei kalter Witterung, wie wir sie im März und Anfang April oft haben. Pfropfe ich frühzeitig, so wende ich wohl, um diesem nachtheiligen Einflusse zu begegnen, außer den gewöhnlichen Pfropfbändern noch einen Umschlag von Lehm an, was sich mir stets bewährt hat. Ferner bestreiche ich, wenn ich Süßkirschen in dem Alter pfropfe, wo sie dem Aufspringen der Rinde ausgesetzt sind, den Stamm mit einer Fettigkeit, z. B. mit Speckschwarte, und habe dieß sehr zweckmäßig gefunden. Ich würde demnach, namentlich beim Umpfropfen älterer Bäume sowohl für Süßkirschen als für Aepfel und Birnen im Allgemeinen das Pfropfen in den Spalt empfehlen und das Pelzen nur rathen, wenn die Bäume schon in vollem Saft stehen, weil dann die Rinde beim Spalten sich leicht in der Nähe des Spalts ablöst, was den Erfolg unsicher macht. Doch läßt sich dieß auch verhüten, wenn man vor dem Spalten des Holzes die Rinde durchschneidet. Dieß wird auch wohl überhaupt bei dem Pfropfen in den Spalt angerathen, ist aber bei einem scharfen und nicht zu dicken Messer oder Pfropfeisen unnöthig.
Breslau im März 1855.
Keine Frage hat die Pomologen in den letzten 50 Jahren so häufig und ernstlich beschäftigt als die: Warum die Samenkerne einer Muskatreinette nicht wieder Muskatreinettenbäume, sondern unter sich und vom Mutterstamme meist sehr verschiedene Apfelbäume liefern. Ich finde die Sache jetzt sehr einfach, so einfach wie die eben so häufige Erfahrung, daß die Söhne großer Männer meistens sehr kleine Männer sind. Dazu ist
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_257.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)