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van Mons ihm in einzelnen Exemplaren zugeschickte Birnsorten.

Nach meinen Beobachtungen weichen die Früchte der ersten Trachten von denen der folgenden hinsichtlich der Form in der Regel in sofern ab, als bei den Birnen erstere länger gezogen (höher) sind, als später, die Frucht am Stiel gewöhnlich in denselben übergeht, während später der Stiel obenauf oder in einer Vertiefung steht und ebenso die Kelchvertiefung noch nicht ausgebildet ist; bei den Aepfeln dagegen die Abweichung der ersten Früchte in der Höhe zwar nicht so bedeutend erscheint, doch aber dieselben im Querdurchschnitt runder, weniger deutlich gerippt sind und gleichfalls Kelch- und Stielvertiefung unvollkommener ausgebildet, letztere oft ausgefüllt erscheint, als später. Kurz und allgemein kann man dieß so ausdrücken: die ersten Früchte sind zwar zuweilen größer, jedoch immer in den Einzelnheiten unvollkommener ausgebildet als später. Hiernach kann man sich auch aus der ersten Frucht wohl zuweilen die nachherige Form schon in Gedanken ausbilden, oder dieselbe gewissermaßen im Voraus ahnen. Obschon diese Erscheinung in mancher Hinsicht und bis zu einem gewissen Grade mit den Wirkungen des zu großen Saftzuflusses des Baums zusammen zu treffen scheint, so mache ich doch darauf aufmerksam, daß dieselbe (wie die folgende) auch an Stämmen zu beobachten ist, deren Trieb schon gemäßigt erscheint. Es scheint, als wenn der Bildungstrieb noch nicht hinreichend erstarkt, noch zu roh und unentwickelt sey, um die richtige, bestimmte Form hervorzubringen.[1]

6) Sowie die Früchte der ersten Trachten noch nicht die eigenthümliche Form der Sorte zeigen, so findet dasselbe, und wahrscheinlich aus ähnlichem physiologischem Grunde, auch bei den Früchten statt, welche an dem ein- oder zweijährigen Holze entstehen, was besonders bei den neueren Obstsorten, aber auch bei vielen älteren vorkommt.[2] Solche Früchte weichen meiner Beobachtung zu Folge, in Hinsicht der Form in demselben Maße, wie oben bemerkt, von dem am älteren Tragholze (den eigentlichen Trageknospen, Fruchtspießen, Ringeltrieben) stehenden Früchten ab,[3] wie die Früchte der ersten Trachten von denen der folgenden, und sind daher zu Bestimmung der Normalform einer Sorte ebenso wenig geeignet. Beobachtet man aber auch diese Regeln, so wird man doch bei vielen Kernobstsorten (besonders bei Birnen) noch verschiedene Formen der Früchte auf einem Baum bemerken und über die Normalform der Sorte zweifelhaft seyn. Diese Verschiedenheiten der Früchte werden sich aber durch folgende Bemerkungen vollends aufklären.

7) Es weicht nämlich die Form der Früchte, welche aus der mittelsten Blüthe der Blüthendolde oder des Straußes entstehen, von denen aus den übrigen Blüthen (Nebenblüthen) entspringenden,


  1. Es scheint hier etwas Analoges stattzufinden, wie bei den jungen Thieren verschiedener Raçen, wo in der Regel das erste Junge auch noch nicht den Wünschen und Absichten entspricht.
  2. So trägt z. B. die Herrmannsbirn, die doppeltragende grüne Muskateller (Kleebirn), die kleine Zimmtrousselet, die Geishirtenbirn etc. gerne am jährigen Holze und im Herbste des J. 1848 hatte die rothgraue Herbstdechantsbirn (Diel’s rothe Dechants- oder Herbstbutterbirn) fast an allen Jahrestrieben nichts als Blüthaugen. Unter den neueren Sorten findet man Blüthknospen am jungen Holze, besonders an Marie Louise, Colmar souveraine, Duchesse d’Angoulème, an Bullock Pepping, Domine excellente und andern Sorten.
  3. Vgl. Diel, H. V, S. 9.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_296.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)