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nicht abbrechen. Früchte mit solchen Stielen sind aus den Nebenblüthen hervorgegangen, während die Stiele solcher Früchte, die aus der mittelsten Blüthe stammen, ohne solche Kerben in den Zweig oder Fruchtkuchen übergehen (gleichsam die Fortsetzung des Zweiges selbst bilden), daher auch nicht abspringen, sondern abgebrochen werden müssen, worauf noch ein Theil der Fortsetzung des Stiels vertrocknet, und sich nach und nach von dem Zweig oder Fruchtkuchen trennt. Auf diesen Unterschied der Form der Früchte nach dem Blüthenstande scheint seither noch gar keine Rücksicht genommen worden zu seyn; zuweilen hat man sogar diese verschiedenen Formen als Früchte zweierlei Sorten angesehen.[1]

Kommt in solcher bedeutender Unterschied der Formen der Früchte nach dem Blüthenstand vor, so wird es immer angemessen seyn, dessen beider betreffenden Sorten zu gedenken, wie von mir in den folgenden Beschreibungen geschehen wird.

Wendet man bei Betrachtung der Früchte einer Kernobstsorte vorstehende Regeln gehörig an, so werden die Klagen über die Verschiedenartigkeit der Formen der Kernobstfrüchte ziemlich schwinden, und es wird weder schwierig seyn, die Normalform einer Sorte, d. h. die Form, welche der Mehrzahl der regelmäßigen Früchte zukommt, zu bestimmen und solche unter die verschiedenen Hauptformen der Kernobstfrüchte, wenn solche einfach und naturgemäß bestimmt sind, einzuordnen, noch wird man es schwer finden, wenn diese Normalform bereits gehörig festgestellt worden, vorliegende vollkommene und regelmäßige Früchte darnach zu erkennen. Es ergibt sich jedoch hiernach von selbst, daß man die Normalform einer Sorte nicht nach einem Exemplare, sondern erst nach mehrjähriger Beobachtung bestimmen kann, sowie, daß die Bestimmung einer Sorte nach einer einzigen vorliegenden Frucht nur dann möglich ist, wenn dieß eine in jeder Hinsicht vollkommene Frucht ist, oder wenn man bereits die Sorte oft gesehen hat und mit ihren zufälligen Abänderungen bekannt geworden ist. Am sichersten wird man gehen, wenn man sich, von der Zeit der Tragbarkeit einer Sorte an, Zeichnungen von vollkommenen Früchten in der oben angegebenen Weise fertigt und solche stets mit einander vergleicht.

Zur vollständigen Verdeutlichung dieser Normalform einer Sorte ist aber die Darstellung der Frucht im Höhen- und nach Befinden auch im Querdurchschnitte, wie bereits oben angegeben, durchaus erforderlich. Nur auf diese Weise kann die Form der


  1. Ich verweise hier auf ein Beispiel aus Sickler’s teutschen Obstgärtner. Die unter Nr. LVI, A und CII des teutschen Fruchtgartens abgebildeten beiden Birnformen (letztere unter dem Namen Doppelttragende Sommer Muskateller) gehören beide zur Langen gelben Sommer Muskateller, und zwar ist die letztere die Form der Mittelfrucht, die erstere die der Nebenfrucht und entspricht der Normalform. – Nur mit ein paar Worten bemerke ich hierbei, daß das Doppelttragen der Kernobstsorten durchaus keinen Grund abgeben kann, bloß hierauf einen Unterschied zweier Sorten zu begründen. Das Doppelttragen ist nichts als ein Zeichen der Fruchtbarkeit der Sorte und der Ueppigkeit des Stammes und kommt in günstigen Jahren bei vielen Sorten, allerdings bei einer mehr als bei der andern, vor. Es liegt in der Natur der Sache, daß es immer eine Frühsorte seyn muß, z. B. die Lange gelbe Sommer Muskateller, die Grüne Muskateller (Kleebirn), der Tulpenapfel, von dem man sogar schon fünferlei Früchte gepflückt haben will (Botanische Zeitung 1847, S. 63), und andere mehr, wenn die zweite Frucht überhaupt einiger Maßen ausgebildet erscheinen soll.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_299.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)