Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 360.jpg

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diese trugen, heißt es, waren die meisten Früchte schlecht, jedoch auch ein gut Theil besser, als manche von unsern Pomologen (im Teutschen Obstgärtner) in’s Publikum gebrachte Früchte; jedoch nur drei fanden sich darunter, die man einer weiteren Fortpflanzung für würdig hielt. Ich selbst habe auch wohl 50–60 Sämlinge von den schätzbarsten Kirschenvarietäten herangezogen; es fand sich darunter mehr als ein Dutzend, die gute Früchte lieferten, sich auch sehr tragbar zeigten, und vor 50 Jahren, wo es an guten Kirschen noch fehlte, vielleicht der Vermehrung würdig erachtet worden wären; aber, wie keine Sorte darunter fiel, die vor bereits bekannten Varietäten irgend bemerkliche Vorzüge gehabt hätte, so fanden sich auch manche mit kleinen, schlechten Früchten, und darunter waren mehrere, die durch ihr großes Blatt und ihren raschen Wuchs meine Erwartungen besonders rege gemacht hatten. In der Baumschule des Herrn Lieke zu Hildesheim trugen vor etlichen Jahren, wo ein günstiges Kirschenjahr war, wohl reichlich 500 aus edlen Kernen erzogene, bis zur Krone bereits herangewachsene Kirschstämme; doch fand derselbe nur 4–5 darunter, die wirklich vorzüglich zu seyn scheinen, und doch erst noch die Probe bestehen müssen, ob sie, auf andere Stämme veredelt, ihre ursprüngliche Güte behalten. – Ueberhaupt ist verhältnißmäßig die Zahl der in Deutschland gewonnenen, edlen Früchte, zu der Zahl der herangezogenen Sämlinge, wenn man auch alles zusammennimmt, was die letzten 50 Jahre bei uns Edles erzielt haben, sehr gering, und viele der besten in Deutschland gewonnenen Früchte verdankt man nicht einmal einer absichtlichen Anzucht, sondern fand sie irgendwo auf. Schätzbare Pflaumen haben wir in letzterer Zeit, besonders durch Hrn. Dr. Liegel’s Bemühungen manche erhalten, und dabei zugleich schon eine Anzahl Sorten kennen gelernt, die sich ächt aus dem Stein reproduciren, wie Große grüne Reineclaude (von der freilich Hr. v. Mons behauptet, daß sie nicht gern nacharte, während er rühmt, wie andere Pflaumensorten fast immer edle Früchte geliefert hätten, was man bei uns nicht fand). In England hat man in neuerer Zeit viele schätzbare Aepfel erzogen, dagegen wenige Birnen; während in Belgien das umgekehrte Verhältniß stattfand, was uns schließen läßt, daß auch Boden und Klima auf die Gewinnung glücklicher Resultate einen merklichen Einfluß haben, und mithin bei uns gleiche Versuche wahrscheinlich noch nicht einmal von gleichem Erfolge gekrönt seyn würden. Aber was ist auch in England verhältnißmäßig das Resultat, das selbst Knight’s planmäßig und mit Zuhülfenahme absichtlicher und berechneter Kreuzung angestellte Sämlingszuchten zu Wege gebracht haben! Er hat ein paar Dutzend gute neue Früchte gewonnen, und darunter ist doch noch eine Anzahl, wie sein Yellow Ingestrie und andere von nur mittelmäßigem Werthe! – Doch treten wir näher zu den Bemühungen des Hrn. van Mons heran, die das Großartigste geleistet haben, was in der Sämlingszucht bisher noch unternommen ist. Man schätzt die Zahl der nach und nach von ihm in aufeinander folgenden Generationen erzogenen Sämlinge auf 100,000. Nun rühmt er, daß der Apfel sich bei ihm schon in der 4ten Generation constant vorzüglich reproducirt habe, und er eben so viele edle Apricosen, Pfirsiche und Pflaumen gewonnen habe, während er gesteht (wenigstens noch 1823), daß es mit der Birne ihm noch nicht eben so gut gelungen sey, die in der Mehrzahl noch Schlechtes hervorbringe.

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_360.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)