Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 376.jpg

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kann; bei allen Kirschensorten bewirkt der Sommerschnitt größere Fruchtbarkeit.

Von besonders hohem Werthe sind Probebäume für solche, welche sich mit Saatschulen befassen. Wenn ein Wildling durch großes Laub, glatte Rinde sich auszeichnet, wenn die Augen gedrungen an den Zweigen sitzen oder in sehr großer Entfernung und es zeichnet sich das Stämmchen durch seinen ganzen Habitus aus, so darf man auf etwas Edles schließen, aber man ist noch in seiner Hoffnung auf ein langes Warten hingewiesen, bis endlich die junge Pfianze Früchte ansetzt. Aber schon im zweiten Jahre können wir von einem solchen Sämmling Früchte erlangen, wenn wir einen Zweig desselben auf einen erstarkten Probebaum setzen. Zeigt sich die Frucht nach 2–3maliger Probe nicht würdig, beibehalten zu werden, so ist nicht viel Zeit und Mühe verloren und der veredelte Ast kann eine andere Sorte aufnehmen. Nun weiß man freilich wohl, daß es der Eigenliebe sehr schmeichelt, eine Frucht erzogen zu haben, welche den Namen des Erziehers an der Stirne trägt und es stünde wohl besser um die Pomologie, wenn viele Hunderte solcher selbsterzogener Kinder am Krebse oder Bleichsucht vor ihrer Taufe wieder gestorben wären; auf der andern Seite aber wollen wir auch nicht übersehen, daß die Natur welche in fortschreitender Vervollkommnung ihre Erzeugnisse giebt, täglich Besseres schafft, als wir schon besitzen, und daß der Gewinn neuer ausgezeichneter Obstsorten, besonders für die Gegend hochanzuschlagen, wo sie erzeugt wurden, da solche Erzeugnisse in ihrer Heimath in der Regel besonders kräftig vegetiren und gedeihen.

Es ist ferner Thatsache, daß in den zerstreuten Obstpflanzungen noch manche vortreffliche Sorte im Verborgenen lebt, welche gelegentlich da und dort aufgefunden oder einem Obstfreunde angepriesen wird; der gewissenhafte Pomolog wird sie aber unter einem neuen Namen nicht verbreiten bis er die vollste Ueberzeugung gewonnen hat, daß die Sorte wirklich eine neue und bessere ist, als ähnliche vorher schon bekannte Sorten. Hievon sich eine zuverläßige Ueberzeugung zu verschaffen und vor der Uebereilung sich zu bewahren, etwas bloß relativ Gutes zu verbreiten, dazu sind Probebäume ein treffliches Mittel.

Ob sich vielleicht auch Schaalenobst zu Probebäumen eigne, habe ich keine Erfahrung, ich zweifle aber daran wegen der Schwierigkeit dasselbe durch Pfropfen etc. zu vermehren.

II. Sortenbäume.

Jenen Freunden Pomona’s, bei welchen das Verlangen vorherrscht, ein möglichst großes Sortiment des schönsten und edelsten Obstes in der höchsten Vollkommenheit zu erziehen, die aber auf einen beschränkten Raum angewiesen sind, rathen wir Sortenbäume anzufertigen, da es sich hier nicht darum handelt, die Früchte in ihrem normalen Zustande zu erhalten, sondern so groß und schön, als sie durch alle zu Gebot stehenden Mittel erlangt werden können; so muß man schon bei der Auswahl der Unterlagen auf solche Sorten Rücksicht nehmen, welche erfahrungsmäßig nicht nur reichen Fruchtansatz liefern, sondern auch auf Größe und Schönheit der Früchte einwirken. Für diese Zwecke dienen für Aepfel vor allen andern der Paradiesstamm und der Johannisstamm, und bemerke ich, daß diese beiden nicht identisch sind, wie ich in einem andern Orte der Monatschrift darauf aufmerksam machte. Man hat zwar in neuer Zeit (Herr v. Biedenfeld) auf den englischen Paradise aufmerksam gemacht,

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_376.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)