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den „Drehimpuls“, bezogen auf den Mittelpunkt des Elektrons, ganz ebenso wie wir die Integrale über das ganze unendliche Feld

als elektrische und magnetische Energie des Elektrons zu bezeichnen gewohnt sind.

Führen wir die Relationen (5) jetzt in die dynamischen Grundgleichungen (3) ein, so erhalten wir sofort die „Bewegungsgleichungen“ des Elektrons.

6)

Eine äussere Kraft bedingt eine zeitliche Änderung des Impulses. Eine äussere Drehkraft ist nicht nur zur Abänderung des Drehimpulses erforderlich; nein, eine äussere Drehkraft muss auch dann angreifen, wenn das Elektron mit konstantem Drehimpuls und einem zur Translationsrichtung schiefem Impulse behaftet ist. In der That, in diesem Falle nimmt, bezogen auf einen im Raume festen Punkt, das statische Moment des Impulses zu oder ab, und hierzu eben ist die Einwirkung einer äusseren Drehkraft notwendig. Übrigens entsprechen die Bewegungsgleichungen (6) ganz denjenigen, die man für die Bewegung eines starren Körpers in einer idealen Flüssigkeit aufgestellt hat. Dort aber sind Impuls und Drehimpuls lineare Funktionen der jeweiligen Geschwindigkeit bezw. Drehgeschwindigkeit. Hier hingegen hängen Impuls und Drehimpuls, die durch Integrale über das ganze Feld definiert sind, im allgemeinen von der Vorgeschichte des Elektrons ab, d. h. von der Geschwindigkeit, die es von Anbeginn an bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt besessen hat. Hierdurch ist eine weit grössere Komplikation des elektrodynamischen Problems bedingt, die eine allgemeine Lösung desselben als aussichtslos erscheinen lässt. Man muss sich darauf beschränken, aus der grossen Mannigfaltigkeit der Bewegungen und Felder gewisse, der mathematischen Behandlung zugängliche Klassen herauszugreifen; glücklicherweise scheinen gerade die mathematisch einfachsten Bewegungen der Elektronen von den bei Kathoden- und Becquerelstrahlen wirklich stattfindenden nicht merklich verschieden zu sein.

Wer in den Kathoden- und Becquerelstrahlen Schwärme bewegter Elektronen sieht, muss für deren Bewegungen das erste Newtonsche Axiom als gültig ansehen. Solange nämlich keine äussere Kraft einwirkt, erfolgt die Bewegung geradlinig und mit konstanter Geschwindigkeit. Auch das zweite Axiom Newtons hat man experimentell bestätigt gefunden in dem Sinne, dass bei Steigerung der ablenkenden oder beschleunigenden äusseren Kraft der Betrag der transversalen oder longitudinalen Beschleunigung in demselben Verhältnis ansteigt, wie die Kraft; man durfte daher dem Elektron eine träge Masse zuschreiben, eine Masse, die nach Kaufmann mit wachsender Geschwindigkeit zunimmt. Um ein solches Verhalten aus der elektromagnetischen Theorie zu deduzieren, müssen wir zunächst Bewegungen des Elektrons aufsuchen, bei denen die Translationsgeschwindigkeit konstant bleibt ohne Einwirkung einer äusseren Kraft oder Drehkraft. Von solchen, dem ersten Axiome genügenden Bewegungen haben wir auszugehen; wir haben sie durch äussere Kräfte abzuändern, um zu dem zweiten Axiome und zu dem Begriffe der elektromagnetischen Masse zu gelangen.

Jede reine translatorische Bewegung unseres kugelförmigen Elektrons genügt dem ersten Newtonschen Axiome. Denn es ergiebt sich aus den Feldgleichungen, dass das Elektron, wenn die Geschwindigkeit konstant ist, sein Feld einfach mitführt, dass ferner der Drehimpuls null ist, und der Impuls der Bewegungsrichtung parallel weist. Die Bewegungsgleichungen (6) sind daher ohne Annahme äusserer Kräfte erfüllt. Wir denken uns nun die Bewegung durch eine äussere Kraft abgeändert, etwa durch ein homogenes elektrisches oder magnetisches Feld. Drehkräfte und Rotationen schliessen wir aus; wir genügen den Bewegungsgleichungen, wenn wir den Impulsvektor der Kraft entsprechend abändern, und die Bewegung des Elektrons der jeweiligen Richtung des Impulsvektors parallel erfolgen lassen. Setzen wir voraus, dass der Betrag G des Impulses nur von dem Betrage q der Geschwindigkeit abhänge, so ergiebt sich, dass, bei longitudinaler Beschleunigung, die Masse

7) ,

bei transversaler hingegen die Masse

7)

in Rechnung zu setzen ist. Diese Formeln, für longitudinale und transversale elektromagnetische Masse, habe ich bereits in meiner früheren Mitteilung hergeleitet. Bei langsamer Bewegung, d. h. wenn zu vernachlässigen ist, ist von der Geschwindigkeit unabhängig, dieser proportional. Mithin ist die Dichte der elektromagnetischen Bewegungsgrösse,

Empfohlene Zitierweise:
Max Abraham: Prinzipien der Dynamik des Elektrons. S. Hirzel, 1902, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prinzipien_der_Dynamik_des_Elektrons.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)