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dreimal gerufen hat, ist Dein Dienstjahr um, denn Du weißt, daß eben der Kukuk rief, als Du kamest.“ Da war der Knecht hoch erfreut, denn er hatte nicht die Schelmenstreiche seiner Brüder im Kopfe und wollte nichts als ehrlich seinen Lohn verdienen, bat derhalben auch, daß sein Vetter ihm sein Gewehr leihen möchte, damit er einen Freudenschuß thun könnte, sobald der Kukuk zum erstenmale gerufen hätte. Das that der geizige Bauer gern, weil noch ein alter Schuß in seinem Gewehr steckte, der heraus mußte.

Es war aber erst Winter und lag hoher Schnee, da schleppte der Knecht schon überall das Gewehr mit umher, daß er nur den Freudenschuß nicht versäumte. Eines Tages wälzte sich die Bauersfrau in Syrup und dann in Federn, und als der Knecht im Walde arbeitete, sprang sie in einem Tannenbaum herum, daß der Schnee von den Ästen zu Boden fiel, und dabei rief die Frau: Kukuk! Kaum hatte sie aber zum erstenmal gerufen, da griff der Knecht schon nach seinem Gewehr, that einen Freudenschuß, traf aus Versehen den Kukuk im Baum und der fiel todt zu Boden. Da sprang der Bauer auch herzu, denn er hatte sich in der Nähe gehalten und zürnte und schalt auf seinen Knecht. „Vetter, seid Ihr böse?“ fragte der Knecht. Der Bauer antwortete schnell: „Da sollte der Teufel nicht böse sein, wenn Du meine Frau todt schießt!“ Da erhielt der dritte Knecht Haus und Hof und durfte dem reichen Bauern noch dazu die Ohren abschneiden.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)