Seite:Proehle Rheinlands Sagen und Geschichten.djvu/213

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und verkündigte ihnen, was die Jungfrau forderte. Er setzte die Frist bis zur Hochzeit fest, auf daß der Königssohn Zeit hätte durch Unterricht und durch das Bad der Taufe des katholischen Glaubens teilhaft zu werden.

Die Boten gingen fröhlich heim zu ihrem Herrn und verkündigten dem Könige der Heiden und seinem Sohne die Antwort des christlichen Fürsten und der christlichen Jungfrau. Da war große Freude bei Hofe und im ganzen Lande.

Die Mägdlein wurden zu Hofe geführet und herrlich geschmücket. Auch wurden die Schiffe gezieret und bereitet, und viele geschäftige Hände gerieten in Bewegung.

Bald waren die Fahrzeuge fertig, und die Jungfrauen waren versammelt.

Pinnosa hieß die edelste unter den edeln, und diese zog den geschmückten Mägdlein voran zur Königin, der Gemahlin des Deonotus.

Da trat die heilige Ursula unter das Heer der elftausend Jungfrauen, dankte und lobete Gott und ermahnte die Kampfgenossinnen zur Liebe des Herrn und zum Gehorsam gegen Gottes Gebote.

Die Jungfrauen lauschten solcher Rede, erhoben die Herzen zu Gott, schwuren gleichsam ihren Fahneneid und gelobten die Treue gegen Christus und seine heilige Lehre.

Das Meer war nahe, und auf ein Zeichen flogen sie zu den Schiffen, gingen in See und begannen ihre Übung bald zusammen, bald geteilt, und bald wie Angriff, bald wie Flucht.

Also thaten sie Tag für Tag. Der fromme König und die Großen des Reiches aber stunden während solcher Übungen dabei, und das neugierige Volk jubelte den jungfräulichen Spielen zu.

Mit diesem Vorspiele der heiligen Marter waren drei Jahre hingebracht, da erschien der angelobte Hochzeitstag.

Nun ward Ursulen bange. Sie bat ihre Genossinnen, daß sie stärker klopfen sollten an die Thüre der göttlichen Barmherzigkeit. Ursula ermahnte ihre Freundinnen, nicht das Rüstzeug der Keuschheit zu verlieren, mit welchem sie drei Jahre lang dem himmlischen Könige ohne Tadel gedienet hätten. Die elftausend Jungfrauen aber hinwiederum riefen weinend gen Himmel, daß ihre Königin nicht zu grunde gehen möchte.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/213&oldid=- (Version vom 1.8.2018)