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Werte erreicht, der diese heimliche Liebesstunde alles Unmoralischen entkleidete.

Als Oliver Brex sie nun küßte und zwischen den immer heißeren, glutvolleren Vereinigungen ihrer Lippenpaare abermals Worte eines geradezu schwärmerisch-erhabenen Glückes fand, flog durch Theresas überhitztes Hirn wie ein fremder, häßlicher Spuk die Erinnerung an die ersten Tage ihrer Ehe. Die brutale Kraft, mit der ihr Gatte einst von ihrem Leibe Besitz ergriffen hatte, erschien ihr in diesen Minuten, wo jede gerechte Kritik ihr selbst unbewußt ausgeschaltet war, wie das gierige, zügellose, sie entehrende Gewaltwerk eines Barbaren.

Im hellen Mondlicht standen sie da, der schwarzgekleidete geheimnisvolle Tschandu und das in heller, fließender Seide prunkende blutjunge Weib des deutschen Gelehrten, ihre Gestalten verschmolzen ineinander, der Nachtwind wehte Theresas Gewand um die dunkle Silhouette ihres Geliebten, neue Kranichscharen zogen mit mißtönendem Kreischen von einem Nilarm zum andern, Flamingos, in Pfeilform geordnet, strichen so niedrig über den Park hinweg, daß der Luftzug ihrer Schwingen Theresas glühendes Gesicht mit kühlen Wellen traf …

Dann irgendwo im Gebüsch ein seltsam schriller Vogelruf, und blitzartig lösten sich Oliver Brex’ Lippen und Arme von der Geliebten.

„Es kommt jemand“, flüsterte er hastig.

„Meine Ohren sind stets wach …“

Nochmals ertönte derselbe Vogelschrei.

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Rauschgiftpatrouille. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1933, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rauschgiftpatrouille.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)