Seite:Reinhardtswalder Sagenbüchlein Fr. Bernh. Störzner 08.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Die Glocken von Reinhardtswalde tönen.


Einst war ein Jäger im wüsten Dorfe auf dem Anstande. Es mochte um Mitternacht sein. Der Vollmond stand hoch oben überm Walde und machte die Nacht zum Tage. Tiefste Stille ringsum! Kein Lüftchen regte sich. Es war, als ob auch die Bäume schliefen. Da drang plötzlich an des Jägers Ohr vom Kirchberge her das silberhelle Klingen einer Glocke, bald stimmte eine zweite ein. Der Weidmann lauschte auf und wunderte sich nicht wenig über das seltsame Tönen von Glocken mitten im einsamen Wald. Anfangs glaubte er, sich getäuscht zu haben, aber bald merkte er, daß es doch Wirklichkeit war. –

     Und was war denn das? – Kaum traute er seinen Augen! Durch den dämmernden Wald schimmert drüben vom Kirchberge her ein strohgedecktes Kirchlein, dessen Spitzbogenfenster hell erleuchtet waren. Da und dort im stillen Wiesengrund erhoben sich kleine Hütten, die Häuser von Reinhardtswalde. – Als in den umliegenden Dörfern die Glocken die erste Morgenstunde verkündigten, verstummten plötzlich die Glocken drüben auf dem Kirchberge. Im selbigen Augenblick verschwand auch das Kirchlein, und die Hütten im Wiesental waren nicht mehr zu sehen.


Das wundertätige Marienbild.


In der Reinhardswalder Kirche befand sich ein aus Holz geschnitztes Marienbild, von dem nach dem Volksglauben Wunder ausgingen. Zu ihm wallfahrteten darum die Frommgläubigen aus weitester Umgegend,


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Reinhardtswalder Sagenbüchlein. Buchhandlung Otto Schmidt, Arnsdorf in Sachsen 1924, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reinhardtswalder_Sagenb%C3%BCchlein_Fr._Bernh._St%C3%B6rzner_08.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)