Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/055

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nach einigen Takten ging sie gelangweilt wieder fort.

Plötzlich neigte sich Zenon zu Yoe und flüsterte spottend:

„Was soll das bedeuten. Sogar der Mahatma läßt heute seine Lehren nicht hören und verdammt uns und unsere Kultur nicht?“

„O Gott, ich gäbe mein Leben dafür, ich unterzöge mich der grausamsten Seelenqual, wenn dieser Mensch sich irren würde, wenn seine Worte nicht Wahrheit wären, – eine so vergiftende und bittere Wahrheit wie das Leben,“ flüsterte Yoe schmerzhaft.

„So verteidigst du dein Erbe, Europäer?“

„Ich würde Europa wie ein Panther zerfleischen, könnte ich nur aus den leblosen Eingeweiden seine ersterbende Seele herausreißen und ihm ein neues, heiliges und wahres Menschenleben geben.“

„Und das sagt der, der noch vor kurzer Zeit Tod und Haß säete …?“

„So oft ich Tod gegeben habe, so oft ist meine Seele verflucht gestorben, – drum sei das Werk des Krieges hundertmal verflucht.“

„Ich kenne diesen Ton, ich kenne ihn; er fließt durch Völker und Ewigkeiten dahin, wie ein klagender Vogel, der in den Abgründen der Verstecktheit irrt, von niemand bemerkt, den Sterblichen entbehrlich, und wie entbehrlich!“ sagte Zenon plötzlich mit aufsteigender Bitterkeit.

„Nein, nein, es hörte ihn Zoroaster, es fühlten ihn die Propheten, aber erst in der Seele der Hindus hat er sein unsterbliches Nest gebaut, und dort, in

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/055&oldid=- (Version vom 1.8.2018)