Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/121

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durch die Nacht funkelten … In diesem Augenblicke wußte er von nichts, dachte er an nichts, seine Seele war bewußtlos in die Dämmerung gesunken, sie war wie jenes Boot, das sich zu seinen Füßen auf den Wogen schaukelte, – tot und leer … Er hörte nur das leise, ängstliche Flüstern des Wassers, gleich wie das Flüstern seines eigenen Herzens, er fühlte, wie sich undurchdringliche Nacht in ihm ausbreitete, eine wohltuende Nacht, die erfüllt war von dem leisen Weinen frierender Bäume, von dem traurigen Geplätscher des Wassers und von einer wunderbaren, unsagbaren Sehnsucht.

Ihm war, als läge er mitten in den Wellen und flösse in die Unendlichkeit des Vergehens und Vergessens dahin, als wäre er nur noch dieses unstillbare traurige Weinen, und die Nacht umfänge mit ihren kühlen mütterlichen Händen sein schweres, erhitztes Haupt, wiege es zärtlich, wiege es mit einer beseligenden süßen Bewegung und sänge irgendein vergessenes Lied, ein Lied der Kindheit und des gestorbenen Geheimnisses. Er hätte vielleicht die ganze Rache so dagesessen in diesem seligen Sichselbstvergessen, wäre plötzlich nicht über ihm eine strenge und dröhnende Stimme laut geworden: „Ich rate Ihnen von hier fortzugehen, – es ist hier kalt und gefährlich.“

„Aber still und gut,“ erwiderte er unwillig und stand auf, denn der Schutzmann hatte ihn unter den Arm genommen und führte ihn weit fort vom Flusse.

„Erlaubt ihr einem nicht einmal, sich zu ertränken?“ fragte er ironisch.

Doch der Schutzmann führte ihn bis zu den beleuchteten

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)