Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/231

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lag bewußtlos in der Mitte des Zimmers und war allein. Sie trugen ihn auf das Bett und versuchten so energisch, ihn zum Bewußtsein zu bringen, daß er bald die Augen aufschlug, sich durchdringend nach allen Seiten umsah und, völlig bei Bewußtsein, flüsterte:

„Ist er noch da?“ Etwas wie Furcht zitterte in seiner Stimme.

„Es ist niemand da, wie fühlst du dich?“

„Ich bin furchtbar ermüdet … furchtbar … furchtbar …“ wiederholte er immer langsamer und schläfriger. Zenon blieb bei ihm sitzen, bis er fest eingeschlafen war, kehrte dann in seine Wohnung zurück und legte sich sofort zu Bett.

Doch um elf Uhr war er schon im British Museum, unter der Säulenhalle. Er fühlte sich heute merkwürdig traurig und schwerfällig und konnte trotz angestrengter Bemühung seine Gedanken auf nichts konzentrieren.

Alle Gedanken liefen durch ihn hindurch, wie das Wasser durch ein Sieb, nicht einmal die Erinnerung an die Nacht erweckte lebhaftere Gefühle in ihm, – dies war ihm ebenso gleichgültig wie alles. Er war wie das Wetter: matt, neblig und langweilig.

Endlich tauchte Ada auf, so schön und bezaubernd, daß man ihr mit Bewunderung nachschaute.

Sie begrüßten sich schweigend; denn er hatte nichts zu sagen, sie dagegen so viel, daß nur ihre Augen die Hymne der Freude sangen und auf den Lippen ein Lächeln strahlte, wie der Widerschein eines inneren Feuers.

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/231&oldid=- (Version vom 1.8.2018)