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werden drohte. Er zündete eine Zigarette an, sah nach Yoe, wechselte einige Worte mit Smith, gab sich Mühe, ruhig nachzudenken, und vertiefte sich wieder in seine Erinnerungen.

Wie er mit Daisy bekannt geworden war, was er über sie gehört hatte, was er mit ihr gesprochen, was er selbst durch sie erlebt hatte, sogar das, was kaum durch sein Hirn geglitten war, tauchte jetzt vor ihm auf, als erlebe er es langsam zum zweiten Male. Eine Art hellseherische Kraft kam über ihn, so daß er sich beinahe eines jeden Augenblickes mit unerbittlicher Genauigkeit erinnerte. Er sah dies alles gleichsam wie auf einem unendlichen Filmstreifen.

„Ich sehe es, ich erinnere mich daran und verstehe doch nichts davon!“ dachte er. „Ich sehe doch nur Tatsachen, die Oberflächen von zufälligen Gestaltungen, die blendenden Trugbilder von etwas Unbekanntem! Aber was liegt da auf dem Grunde? Wer ist eigentlich Daisy? Welche Rolle spiele ich in alledem?“ Er zerrte an den unzerreißbaren Maschen des Geheimnisses, die ihn gefesselt in die Tiefen der Qual vergeblicher Fragen hinabzogen.

„Wissen Sie,“ wendete er sich nach einiger Zeit an Mr. Smith, „ich würde mich jetzt nicht einmal wundern, wenn plötzlich diese Bäume hinter den Fenstern zu sprechen anfangen würden, oder jene mittelalterlichen Ritter aus den Bildern herabsteigen und sich zu uns setzen würden …“

Mr. Smith entgegnete mit der salbungsvollen Stimme eines Predigers:

Empfohlene Zitierweise:
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/302&oldid=- (Version vom 1.8.2018)