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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie


BIOGRAPHIE.


Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren. Sein Vater, Friedrich Wagner, bekleidete dort das Amt eines Polizei-Actuars, er starb bereits im October des genannten Jahres. Die Mutter verheirathete sich nach einiger Zeit mit dem Schauspieler, Schriftsteller und Maler Ludwig Geyer in Dresden. Die Familie Wagner siedelte nunmehr nach Dresden über. Der Stiefvater glaubte, den kleinen Richard zum Maler erziehen zu müssen, doch hatte die gütige Norne ihm andere Gaben verliehen und als der widerwillige Zeichner im Alter von sieben Jahren eines Tages zwei Melodien auf dem Klaviere nach dem Gehör spielte, dämmerte dem Vater die Ahnung auf: „Sollte er vielleicht Talent zur Musik haben?“ Der Tod raffte den sorgenden Beschützer und Führer bald hinweg, noch ehe sich in dem Knaben eine Neigung für irgend einen Lebensberuf entwickelt hatte. Mit neun Jahren kam er auf die altberühmte Dresdener Kreuzschule, und endlich machte auch ein Hauslehrer so neben dem Studium des Cornelius Nepos den Versuch, dem Schüler die Geheimnisse des Clavierspiels zu erschliessen. So unverkennbar das Interesse für Musik, so deutlich trat gar bald die Abneigung gegen alles Technische hervor. Kaum waren die ersten Fingerübungen überwunden, so versuchte Richard Wagner ganz heimlich die Ouvertüre des „geliebten Freischützen“ zu spielen. Der Lehrer merkte den Verrath und erklärte: aus Dem wird nichts! Wie manches Genie hat diese und ähnliche Censuren auf der Schulbank erworben, dem später auf dem Lebenswege der Lorbeer in reichster Fülle beschieden war!

„Der nie zufriedene Geist, der stets auf Neues sinnt“, war dem Meister schon in frühester Jugend eigen, er entwarf grosse Trauerspiele, erst nach griechischem Muster, dann war Shakespeare sein Vorbild. In Leipzig, wohin die Familie später verzog, wirkte zum ersten Male Beethoven’s Musik auf den jugendlichen Feuergeist. Es ist wol ein Stück eigenen Erlebens, was Richard Wagner in seiner Novelle: „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“ erzählt, wenn es heisst: „Ich weiss nicht recht, wozu man mich eigentlich bestimmt hatte; nur entsinne ich mich, dass ich eines Abends eine Beethoven’sche Symphonie aufführen hörte, dass ich darauf Fieber bekam, krank wurde und als ich wieder genesen, Musiker geworden war." Seit 1830 setzte Wagner sein Studium auf der Thomasschule in Leipzig fort. Er zog es vor,

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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)