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40. Das vierte Buch der Makkabäer


1. Kapitel:
Prolog. Betrachtung des Lehrsatzes von der Herrschaft der Vernunft über die Triebe


1
Ich möchte eine Frage vorlegen:

Hat die gottgeleitete Vernunft volle Herrschaft über die Triebe?
Diese Frage ist echt philosophisch.
Deshalb möchte ich euch recht raten,
auf diese Philosophie bereitwillig zu achten.

2
Jeder soll sich mit der Frage vertraut machen,

führt sie doch zur Empfehlung der größten Tugend,
ich meine, der Klugheit.

3
Wenn die Vernunft allem nach die Triebe,

die die Mäßigung verhindern, beherrscht,
nämlich die Völlerei und die Wollust,

4
dann ist auch klar, daß sie über die Triebe, die die Gerechtigkeit hemmen,

wie die Bosheit, Macht hat,
ebenso über die Triebe, die die Starkmut hindern,
Aufregung, Schmerz und Furcht.

5
Wie kommt es nun, mögen einige fragen,

daß die Vernunft nicht auch über das Vergessen und das Nichtwissen Macht hat,
wenn sie doch sonst über die Triebe herrscht?
Ihr Einwand ist lächerlich.

6
Nicht über ihre eigenen Triebe herrscht die Vernunft,

sondern über die Triebe,
die der Gerechtigkeit, Starkmut, Mäßigkeit und Klugheit hindernd im Wege stehen,
und auch über diese nicht so, daß sie sie ausrottet,
sondern nur so, daß sie ihnen nicht nachgibt.

7
Ich möchte euch nun an verschiedenen Beispielen zeigen,

daß die gottgeleitete Vernunft volle Herrschaft über die Triebe hat.

8
Am besten dürfte ich dies

durch den Heldenmut der für die Tugend Gestorbenen beweisen können,
des Eleazar und der Sieben Brüder und ihrer Mutter.

9
Denn alle diese achteten nicht der Schmerzen bis zum Tode.

So bewiesen sie, daß die Vernunft über die Triebe Macht hat.

10
Der Tugenden wegen muß ich zwar die Männer loben,