Seite:Riessler Altjuedisches Schrifttum ausserhalb der Bibel 717.jpg

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Du sollst auch durch sie nur lernen,
daß ich der Bruder der vor mir Gemarterten bin.

17
Als dies der blutdürstige, mordgierige

und abscheuliche Antiochus vernahm,
befahl er, ihm die Zunge auszuschneiden.

18
Er aber sprach: Raubst du mir auch das Werkzeug der Sprache,

Gott hört auch die Stummen.

19
Siehe! Ich strecke meine Zunge heraus. Schneide sie ab!

Deshalb schneidest du doch nicht unserer Vernunft die Zunge ab.

20
Freudig lassen wir uns für Gott die Glieder des Leibes verstümmeln.
21
Vor dich aber tritt in Bälde Gott hin;

denn die Zunge, die du abschneidest,
war die Sängerin der Gotteslobgesänge.


11. Kapitel: Der Tod des Fünften und Sechsten
1
So erlitt auch dieser den Foltertod.

Da sprang der Fünfte vor und rief:

2
Tyrann!

Ich will mich zu der Folter für die Tugend nicht erst nötigen lassen.

3
Von selber bin ich vorgetreten, damit du auch mich tötest.

So häufst du noch mehr die Frevel
und damit die Strafe durch die göttliche Gerechtigkeit an.

4
Du Feind der Tugend! Du Menschenhasser!

Was taten wir, daß du uns so vergewaltigst?

5
Oder hältst du es für etwas Schlimmes,

wenn wir den Schöpfer des Alls fromm verehren
und nach seinem Tugendgesetz leben?

6
Dies wäre doch der Ehren, nicht der Foltern wert,
7
wenn du ein Verständnis für der Menschen Sehnsuchtsgedanken

und Hoffnung auf Heil von Gott hättest.

8
Nun aber bist du Gott entfremdet

und kämpfest gegen seine Verehrer.

9
Unter diesen Worten fesselten ihn die Wächter

und zerrten ihn zur Schwinge.

10
Sie banden ihn mit den Knien darauf,

spannten sie in eiserne Fußschellen
und beugten seine Hüfte um den Radteil.
So wurde er auf das Rad wie ein Skorpion zurückgebogen
und dann Glied für Glied zerstückelt.

11
In diesem Zustand, beengten Atems und erstickenden Körpers, rief er:
12
Tyrann!

Herrlich sind, gegen deinen Willen, die Gnaden, womit du uns begnadest;
vortrefflich, weil du uns vergönnst,
durch die edelsten Leiden die Stärke unserer Gesetzestreue zu zeigen.

13
So starb auch dieser.

Dann ward der sechste, ein Knabe, vorgeführt.
Als der Tyrann sich erkundigte,
ob er essen oder freigelassen werden wolle, sprach er: