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großes und schönes Haus in die Augen, wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von Duttlingen bis nach Amsterdam noch keines erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dieß kostbare Gebäude, die 6 Camine auf dem Dach, die schönen Gesimse und die hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die Thür. Endlich konnte er sich nicht entbrechen, einen Vorübergehenden anzureden. „Guter Freund, redete er ihn an, könnt ihr mir nicht sagen, wie der Herr heißt, dem dieses wunderschöne Haus gehört mit den Fenstern voll Tulipanen, Sternenblumen und Levkoien?“ – Der Mann aber, der vermuthlich etwas wichtigeres zu thun hatte, und zum Unglück gerade so viel von der deutschen Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nemlich Nichts, sagte kurz und schnauzig: Kannitverstan; und schnurrte vorüber. Dieß war ein holländisches Wort, oder drey, wenn mans recht betrachtet, und heißt auf deutsch soviel, als: Ich kann euch nicht verstehn. Aber der gute Fremdling glaubte, es sey der Name des Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das muß ein grundreicher Mann seyn, der Herr Kannitverstan, dachte er, und gieng weiter. Gaß aus Gaß ein kam er endlich an den Meerbusen, der da heißt: Het Ey, oder auf deutsch: das Ypsilon. Da stand nun Schiff an Schiff, und Mastbaum an Mastbaum; und er wußte anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwey einzigen Augen durchfechten werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit an sich zog, das vor kurzem aus Ostindien angelangt war, und jezt eben ausgeladen

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/163&oldid=- (Version vom 1.8.2018)