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für den Sohn eine heisse Glut in dem leicht entzündlichen Herzen birgt. Dass dies Herz nicht von Schwärmerei für Maikäfer und Abendröthe ausgefüllt wird, dass sie sich um die todte Natur gar nichts kümmert, sondern blos um die Menschen; dass ihr das, was man bei uns Deutschen Gemüth nennt, vollständig abgeht, ist ein so bezeichnender Zug für die heissblütige Spanierin, wie ihn nur die höchste Genialität so richtig herausfinden konnte, ohne den Süden und seine schönen Bewohnerinnen jemals aus eigener Anschauung kennen gelernt zu haben. Er ist ein glänzender Beweis für die Stärke der künstlerischen Intuition bei unserm Dichter. Die schwarzäugigen Töchter von Rom wie von Madrid halten es in diesem Stück ganz gleich: ihr Naturgenuss besteht beiderseits darin, den staubigen Corso oder Prado spazieren zu fahren, gerade so weit als alle Welt fährt, um gesehen zu werden und zu sehen.

So weit wie alle Welt geht die Eboli auch in allen andern Dingen, die ihr innerlich gleichgültig sind. Kaum schlägt man ihr aber eine Heirath vor, die ihr nicht gefällt, so empört sich auch ihr Blut dagegen und sie stösst das Anerbieten rücksichtslos von sich; da hat die Convenienz sofort ein Ende bei ihr.

Dieser Heirathsantrag, der sie an eine Creatur des Königs und dadurch diesem selbst verkuppeln soll, beschleunigt in den aufgeregten Sinnen der Prinzessin nur den Entschluss, den, welchen sie wirklich liebt, nun auch definitiv zu erobern. Ist sie aber erst an die Ausführung ihres Plans gegangen, so malt sich das heisse Blut des Südens, das allemal den Roman da anfängt, wo er im Norden aufhört, auch gleich in den ungeduldigen Worten gegen den Pagen:

 Wie glücklich wär’ er schon
In so viel Zeit gewesen, als du brauchtest,
Mir zu erzählen, dass er’s werden wollte!

Der Künstler hat sie uns mit seltener Meisterschaft in dieser Situation, den Geliebten erwartend, gezeichnet. Es ist die schönste Inspiration, die Perle unsers Werks! Und er that wohl daran, uns gerade diese vorzuführen: kennt doch ihr Leben eigentlich nur zwei

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/155&oldid=- (Version vom 1.8.2018)