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für Maria athmet die wildeste Glut, selbst schon sein Uebergang zum Katholicismus wird blos durch den Reiz der Sinne, durch den Rausch, in den die Wunderwerke der Kunst in Rom sein phantastischsinnliches Wesen versetzen, den ihm Rafael’sche Frauen, Palestrina’s Musik und Michel Angelo’s Kuppel bereiten, motivirt. Er ist so ganz Romantiker der echten Sorte, es ist nicht der Kern der Sache selbst, der ihn gewinnt, es ist das Drum und Dran, die künstlerische Form, die ihn besticht. So geht er denn auch gleich nach seiner innerlichen Conversion in lustige Gesellschaft, von römischen Kirchenfesten zu „der Franzosen muntern Landsmannschaften“, und wird da reif für den Cardinal, der ihm zeigte

 Dass grübelnde Vernunft
Den Menschen ewig in der Irre leitet,
Dass seine Augen sehen müssen, was
Das Herz soll glauben.

Wenn ihn aber gerade die Vernunft irre leitet, so sieht man nicht ab, wozu sie ihm Gott gegeben, und es ist eben keine Schmeichelei für den Katholicismus, dass er sie erst aufgeben muss, um zu ihm zu gelangen, so poetisch uns dieser Process auch dargestellt wird.

Schwärmerei und Heuchelei sind Zwillingsgeschwister, und so macht denn Mortimer auch sofort die Bekanntschaft der letztern, die dem Engländer ohnehin noch näher lag bei der angeborenen Verschlossenheit, dem starren Egoismus des Charakters. Er lernt „der Verstellung schwere Kunst“, ja er erröthet nicht vor dem ganzen Hofe von England und seiner Königin sich zu einer Handlungsweise zu bekennen, die man im gewöhnlichen Leben – infam nennt; bekennt er doch selbst, dass er sich in der Verbannten Vertrauen gestohlen, um ihre Anschläge auszukundschaften, ja dass er zum Schein sogar seinen Glauben abgeschworen: „so weit ging die Begierde dir (der Elisabeth) zu dienen“ – ein Geständniss, das ihm nach den bisher geltenden Begriffen doch nur die Verachtung jedes Ehrenmanns eintragen konnte! Diese verdient er trotz der Unwahrheit des Geständnisses dennoch, da er ja am Hofe Elisabeth’s und seinem eigenen Oheim gegenüber auch nichts anderes

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/251&oldid=- (Version vom 1.8.2018)