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Sie offenbart uns so die grosse edle Seele, die nur der eigene Liebesreichthum über die Schwäche des Geliebten täuscht, welchem ihre Phantasie alle die Vorzüge leiht, deren Mangel ihn eine so haltlose Figur spielen lässt, – sie fühlt richtig, wie nur die Liebe es fühlen mag, dass, wenn nur ein Wunder ihn durch die Strudel des wilden Kampfes tragen kann, er dagegen Wohlwollen und edle Gesinnung genug hätte, um ein befriedigtes Land auch freundlich zu beglücken.

In deiner sanften Seele hat der Himmel
Den Arzt für alle Wunden sich bereitet,
Die der Parteien Wuth dem Lande schlug.
Des Bürgerkrieges Flammen wirst du löschen
Mir sagt’s das Herz, den Frieden wirst du pflanzen,
Des Frankenreiches neuer Stifter sein.

Die Demuth und Bescheidenheit, welche die schöne Frau bei jeder Gelegenheit zeigt, die verschämte Art, mit der sie ihre Schätze opfert, – in welcher Situation sie uns der Künstler vorführt –, wie die Verehrung, mit der sie sich vor der Jungfrau in den Staub wirft: in allem malt sich uns das sanfte, liebenswürdige, hingebende Geschöpf, dem die Liebe alles ist. Darum kann sie auch die Jungfrau nicht verstehen, eine Mission nicht begreifen, die sie diesen sanftern Regungen des Herzens noch unzugänglich machen soll, nachdem das Ziel des Kampfes erreicht ist, und sagt ihr daher:

O, könntest du ein Weib sein und empfinden!
Leg’ diese Rüstung ab, kein Krieg ist mehr,
Bekenne dich zum sanfteren Geschlechte!
Mein liebend Herz flieht scheu vor dir zurück,
Solange du der strengen Pallas gleichst –

da sie dieselbe des Entzückens theilhaft sehen möchte, das sie in diesem Augenblick selbst empfindet, und das sie so naiv und menschlich schön ausspricht:

Denn soll ich meine ganze Schwäche dir
Gestehen? Nicht der Ruhm des Vaterlandes,
Nicht der erneute Glanz des Thrones, nicht
Der Völker Hochgefühl und Siegesfreude

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/284&oldid=- (Version vom 1.8.2018)