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AMALIA.
(Die Räuber.)


Vermag man doch nie zu schildern, was man nicht kennen gelernt! So dürfen wir uns denn nicht wundern, wenn der Zögling der Karlsschule in seinem Erstlingswerke der einzigen Frauengestalt desselben kein rechtes Leben zu verleihen, sie uns nicht so deutlich zu gestalten wusste, als die Figuren der wilden Genossen des jungen Poeten, der Roller, Schweizer, Spiegelberg u. a. m., die er nach dem Leben zeichnete.

Hat der Dichter in Karl sich selbst geschildert, die eigene flammende Empörung gegen die Ordnung der Dinge, die ihn umgab, gegen einen gesetzlichen Zustand, der ihm in einen todten Mechanismus verkehrt schien, so können wir dagegen aus seiner Amalia, zu der ihm schwerlich ein lebendes Original die Züge geliehen, nur sehen, wie er sich damals edle Frauen dachte, ehe er sie kannte. Es ist dies indess bei einem Talent von dieser Bedeutung auch schon interessant genug, um sich der Mühe zu unterziehen, die etwas unklaren und flüchtig gezeichneten Züge zusammenzusuchen, die er ihr gibt.

Eine arme Nichte des alten Moor, früh Waise, ist sie in dessen Hause erzogen worden, auf gleichem Fusse mit den beiden Brüdern aufgewachsen. Es verstand sich also fast von selbst, dass sich ihr glühendes, liebebedürftiges Herz unter diesen Umständen der herrlichen Erscheinung des ältern Bruders zuwandte. Sagt doch der neidische Franz von ihm:

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)