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Die Horen.
Erster Jahrgang. Zweytes Stück.
I
Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten.
Fortsetzung.

Abends nach Tische als die Baronesse zeitig in ihr Zimmer gegangen war, blieben die übrigen beysammen, und sprachen über mancherley Nachrichten, die eben einliefen, über Gerüchte, die sich verbreiteten. Man war dabey, wie es gewöhnlich in solchen Augenblicken zu geschehen pflegt, im Zweifel was man glauben und was man verwerfen sollte.

Der alte Hausfreund sagte darauf: ich finde am bequemsten, daß wir dasjenige glauben, was uns angenehm ist, ohne Umstände das verwerfen, was uns unangenehm wäre, und daß wir übrigens wahr seyn lassen, was wahr seyn kann.

Man machte die Bemerkung, daß der Mensch auch gewöhnlich so verfahre, und durch einige Wendung des Gesprächs kam man auf die entschiedene Neigung unsrer Natur das Wunderbare zu glauben; man redete vom Romanhaften, vom Geisterhaften und als der Alte einige gute Geschichten dieser Art künftig zu erzählen versprach, versetzte Fräulein Louise: Sie wären recht artig

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 2-1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/117&oldid=- (Version vom 1.8.2018)