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ein paar Leute fand, welche Bettstroh verbrannten und bey der Flamme, die das ganze Zimmer erleuchtete, zwey nackte Körper auf dem Tische ausgestreckt sahe. Ich zog mich eilig zurück und stieß im Hinausgehen auf ein paar Todtengräber, die mich fragten, was ich suchte? Ich zog den Degen, um sie mir vom Leibe zu halten und kam nicht unbewegt von diesem seltsamen Anblick nach Hause. Ich trank sogleich drei bis vier Gläser Wein, ein Mittel gegen die pestilenzialischen Einflüsse, das man in Deutschland sehr bewährt hält, und trat, nachdem ich ausgeruhet, den andern Tag meine Reise nach Lothringen an.

Alle Mühe, die ich mir nach meiner Rückkunft gegeben, irgend etwas von dieser Frau zu erfahren, war vergeblich. Ich ging sogar nach dem Laden der zwey Engel; allein die Miethleute wußten nicht, wer vor ihnen darin gesessen hatte.

Dieses Abentheuer begegnete mir mit einer Person vom geringen Stande, aber ich versichere, daß ohne den unangenehmen Ausgang es eins der reizendsten gewesen wäre, deren ich mich erinnere, und daß ich niemals ohne Sehnsucht an das schöne Weibchen habe denken können.

Auch dieses Räthsel, versetzte Fritz, ist so leicht nicht zu lösen. Denn es bleibt zweifelhaft, ob das artige Weibchen in dem Hause mit an der Pest gestorben, oder ob sie es nur dieses Umstands wegen vermieden habe.

Hätte sie gelebt, versetzte Karl, so hatte sie ihren Geliebten gewiß auf der Gasse erwartet, und keine Gefahr

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 2-26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/142&oldid=- (Version vom 1.8.2018)