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Ferdinands Vater war, wie wir wissen, was seine Privatcasse betraf, nicht der ordentlichste, die Handlungssachen hingegen wurden von einem geschickten und genauen Associe sehr richtig besorgt. Der Alte hatte das Geld, das ihm der Sohn entwendete, nicht eben gemerkt, ausser daß unglücklicherweise darunter ein Paquet einer in diesen Gegenden ungewöhnlichen Münzsorte gewesen war, die er einem Fremden im Spiel abgewonnen hatte. Diese vermißte er und der Umstand schien ihm bedenklich. Allein was ihn äusserst beunruhigte war, daß ihm einige Rollen, jede mit hundert Dukaten, fehlten, die er vor einiger Zeit verborgt, aber gewiß wieder erhalten hatte. Er wußte, daß der Schreibtisch sonsten durch einen Stoß aufgegangen war, er sah als gewiß an, daß er beraubt sey, und gerieth darüber in die äusserste Heftigkeit. Sein Argwohn schweifte auf allen Seiten herum. Unter den fürchterlichsten Drohungen und Verwünschungen erzählte er den Vorfall seiner Frau; er wollte das Haus um und um kehren, alle Bediente, Mägde und Kinder verhören lassen, niemand blieb von seinem Argwohn frey. Die gute Frau that ihr möglichstes, ihren Gatten zu beruhigen; sie stellte ihm vor, in welche Verlegenheit und Discredit diese Geschichte ihn und sein Haus bringen könnte, wenn sie ruchbar würde, daß niemand an dem Unglück, das uns betreffe, Antheil nehme, als nur um uns durch sein Mitleiden zu demüthigen, daß bey einer solchen Gelegenheit weder er noch sie verschont werden würden, daß man noch wunderlichere Anmerkungen machen könnte, wenn nichts heraus käme, daß man vielleicht den Thäter entdecken, und, ohne ihn auf Zeitlebens unglücklich zu machen, das Geld wieder erhalten könne. Durch diese und andere Vorstellungen

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)