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erleuchten darf. – Endigt sich mein Reich? fragte der silberne König. – Spät oder nie, versetzte der Alte.

Mit einer starken Stimme fing der eherne König an zu fragen: wann werde ich aufstehn? – Bald, versetzte der Alte. – Mit wem soll ich mich verbinden? fragte der König. – Mit deinen ältern Brüdern, sagte der Alte. – Was wird aus dem jüngsten werden? fragte der König. – Er wird sich setzen, sagte der Alte.

Ich bin nicht müde, rief der vierte König mit einer rauhen stotternden Stimme.

Die Schlange war, indessen jene redeten, in dem Tempel leise herumgeschlichen, hatte alles betrachtet und besah nunmehr den vierten König in der Nähe. Er stand an eine Säule gelehnt, und seine ansehnliche Gestalt war eher schwerfällig als schön. Allein das Metall, woraus es gegossen war, konnte man nicht leicht unterscheiden. Genau betrachtet war es eine Mischung der drey Metalle, aus denen seine Brüder gebildet waren. Aber beym Gusse schienen diese Materien nicht recht zusammen geschmolzen zu seyn; goldne und silberne Adern liefen unregelmäßig durch eine eherne Masse hindurch, und gaben dem Bilde ein unangenehmes Ansehn.

Indessen sagte der goldne König zum Manne: wie viel Geheimnisse weißt du? – Drey versetzte der Alte – Welches ist das wichtigste? fragte der silberne König. – Das offenbare, versetzte der Alte. – Willst du es auch uns eröffnen? fragte der eherne. – Sobald ich das vierte weiß, sagte der Alte – Was kümmerts mich! murmelte der zusammengesetzte König vor sich hin.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)