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Sinnend stand ich jetzt, ein Weilchen zweifelnd

Was die holde Täuschung um mich zaubre.

     Als ich wieder auf vom Boden blickte
Stand ein holder Knabe mir zur Seiten,
Goldne Locken hingen um die Schläfe,

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Um die Lippen spielte schalkisch Lächeln,

Sah mich an mit keckem blauen Auge:

     „Träumer du! zertritt nicht alle Freuden,
Die so zart in deinem Wege liegen!“ –
Rief es, hob den Zeigefinger drohend. –

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Sieh, wie sich auf mein Gebot die Waldung

Neu begrünt, wie Glanz und süßes Leben
Sich auf jedem Zweige schaukelt; Blumen,
Nachtigallen, Düfte, alles ruft dich
An mit wunderbar holdseelgen Tönen.

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Gehst du nicht in deinem eignen Schatten?

Bist du, Thor, nicht selber dir im Wege?

     Stracks voll Mismuth ward mein banger Busen:
Kinder, sagt’ ich, sollten nicht so sprechen,
Thöricht sind sie, haben nichts erfahren,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_049.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)