Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 1.pdf/66

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finden wir die farbige Erscheinung dieser Tiere durch Lackbemalung der silbernen Teile gesteigert, wie bei dem Pfau (Tafel 36, 1).

Auch das in dem Domschatz zu Halle vor 1526 gegebene Beispiel fand Nachfolge, indem menschliche Halbfiguren in das bis zur Perlmutterschicht abgeschliffene Gehäuse einer Seeschnecke endigen und als Fabelwesen erscheinen. Der abnehmbare Kopf oder Oberkörper erinnert daran, daß das Zierstück stets zugleich auch als Trinkgefäß gedacht war und benutzt werden sollte. Erst aber in den beiden letzten Jahrzehnten des 16. Jhdts. scheint deren Herstellung häufiger geworden. Ein Stück dieser Art ist die Sirene des in Nürnberg 1582 Meister gewordenen Hans Keller (Tafel 37, 1). Hier ist nicht nur der Leib in ein solches Muschelgehäuse übergeleitet, auch zu dem erhobenen Fischschwanz ist eine kleinere Seemuschel verwendet und dessen Windungen glücklich angepaßt. Zumeist aber wird die Windung der Muschel selbst dazu verwendet, um das Schwanzende des fabelhaften Seegeschöpfes vorzustellen, wie bei dem Tritonenpaar auf Tafel 38.

Bei der Verarbeitung von Seemuscheln zu solchen Phantasiegeschöpfen lag der Gedanke nahe an die Wogen des Meeres, in denen jene den Tieren der See als Gehäuse dienen. Und diese Meereswogen waren ja schon von der griechischen Mythologie als dahinstürmende Rosse vorgestellt worden, deren hintere Körperhälften in Fischleiber endigten. So sind also auch die Muschelgehäuse als Körperendigung von galoppierenden Hippokampen mehrfach verwendet worden (Tafel 38, 2, und 39). Daß hierbei tatsächlich auch an eine Personifikation der stürmischen Meereswogen gedacht wurde, das bezeugt die auf der Muschelwindung stehende das Pferd zügelnde Gestalt Neptuns. Um jene Hippokampen mit erhobenen Vorderbeinen dahinstürmend erscheinen zu lassen und ihnen zugleich Standfestigkeit zu verleihen, bedurfte der Meister außer den Fischflossen einen den Pferdeleib stützenden Ast, den wir bei der prächtigen Bewegung des Pferdes gern übersehen werden. Der Erfinder dieser Geschöpfe hat leider durch keine Marken sich kenntlich gemacht. Es ist immerhin möglich, daß der für Dresden vielbeschäftigte Leipziger Meister Elias Geyer als solcher anzusehen ist, Meister 1589.

Von diesem Meister rühren zwei prächtig stilisierte Greifen her. Dieses Fabelwesen, dem die antike Mythologie vier Krallenfüße, ein paar Flügel und den Kopf eines Raubvogels gegeben hatte, hat unser Meister in freiem Spiel der Phantasie zu einem Seeungeheuer umgestaltet, indem er seinen Leib fischschwanzartig