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der besten Edelleute Frankreichs unterzeichnet, durch welche Ihr gebeten werdet, zur Beruhigung der Gemüther gegen die Protestanten einige immerhin unwesentliche Beschränkungen eintreten zu lassen. Aber nothwendig sind diese Beschränkungen. Es sind 15 Millionen Franzosen, welche sie fordern. An ihre Spitze diese Namen . . .

Der Bischof schlug einige große Bogen Pergament auseinander.

– Keinen Laut! sagte Heinrich, gebieterisch die Hand ausstreckend, als der Prälat Anstalt machte, die Unterschriften abzulesen. Ich will die Namen meiner Feinde nicht wissen, Messire; denn das sind diese Herren; Ventre-saint-gris, und geschworne dazu. Ihr seid entlassen!

Der Erzbischof von Luçon nahm eine eiskalte, unzugängliche Miene an und ging rasch ab. Er suchte draußen den Spanier auf und nahm ihn mit auf sein Zimmer, in welchem nur eine Art von kleinem Altar darauf hindeutete, daß sein Bewohner ein Mann der Kirche sei.

– Heute, Lascara! sagte Luçon mit blitzenden Augen.

– Ich wollte, Ihr hättet das gestern gesagt! murmelte der junge Mann, indeß er sich auf die Kniee ließ, worauf der Bischof segnend seine Hand nach ihm ausstreckte.

– Und warum?

– Ich mag heute nicht mehr sterben; ich liebe, mein Vater. Gestern Morgen noch hätte ich Heinrich inmitten seines ganzen Hofstaates niederstechen können; aber seit dieser Zeit hat ein einziger weicher Händedruck mir gezeigt, daß mein Leben einen Preis besitzt, den ich nicht mehr in die Schanze schlagen will. Jetzt ist meine Sicherheit, die Möglichkeit meiner Flucht allererste Bedingung der Ausführung meines Werkes geworden, statt daß ich sie vielleicht gestern noch, sicher aber vorgestern, stolz verschmäht haben würde.

Der Bischof rieb sich rathlos die Hände.

– Aber welche unerhörte Phantasterei! murmelte er. Wo sind Deine feierlichen Entschlüsse, Deine Selbstverleugnung gleich derjenigen eines heiligen Märtyrers? Wo Deine erhabene Begeisterung, der Held der niedergetretenen Kirche zu werden? Alles verweht und verstoben vor . . . ich mag das Wort nicht wiederholen!

– Ihr habt mich zum Phantasten gemacht; erwiederte Lascara. Was wollt ihr? Warum scheltet Ihr den Nachtwandler, welcher seinen eignen Weg geht? Noch heute, ja, fühle ich Haß in meiner Brust . . .

Dieu merci! flüsterte Luçon.

– Haß gegen diesen doppelzüngigen, verrätherischen Béarner, dieses zerbrochene Rohr Aegyptens, das Jedem, der sich darauf lehnet, durch die Hand fährt. Ich gab mein Wort und, por la Madonna! ich werd’s lösen, das heißt, wenn ich Hoffnung habe mich zu retten.

Der Bischof zuckte die Achseln. Er gab seinen Mann fast auf. Wild und wüthend blickte der Geistliche auf die beiden schmalen, und obgleich gelben, dennoch sehr schönen Hände des Pfaffenzöglings, welche durch eine Bewegung das Schicksal eines der mächtigsten Reiche der Erde umgestalten konnten. Er versuchte nochmals sein Letztes; er stellte ihm die Würden der Erde und des Himmels vor, die er zu erwerben vermöge; er malte ihm die Schlösser und Villas in Italiens bezaubernster Gegend, die ihm zur Belohnung der finstern That übergeben werden sollten.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/159&oldid=- (Version vom 1.8.2018)