Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/191

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bei Haus in seiner Nachbarschaft, machte sich wichtig, drohte in Frankreichs Namen, legte vorläufig Brandschatzungen auf, und hatte die Genugthuung, daß die erschreckten Holländer ihm erstaunt zuhörten, ohne ihn zu züchtigen.

Als der französische Fußbekleidungskünstler, die Mappen und Feldstühle schleppend und dazu heftig aus seiner Thonpfeife rauchend, hinter den beiden Malern herkeuchte, trieb er seinen Patriotismus so weit als möglich, indeß Adrian dem seufzenden Isaak die Geheimnisse der Kunst zu enthüllen bemüht war.

– Aber da habe ich immer noch kein Gemälde! bemerkte Isaak unverbesserlich.

– Ei, Gewitter! rief Adrian, in seiner Aufgeregtheit plötzlich deutsch fluchend und sprechend. Was giebt, was macht denn ein Bild? Alles, Alles – Schwachkopf – vom Blitze an aus dem hohen Himmel heraus, bis zu dem kleinsten Käfer und Wurm im Grase – Alles sind Bilder! Leben, Bruder, mags heißen wie’s will, erscheinen wie’s mag, Leben, nur Leben, und Du hast die Bilder, die Du nirgend finden kannst!

– O, raisonniren kann ich auch über dergleichen, theurer Adrian! sagte der sanfte Isaak, noch lange nicht überzeugt.

Adrian sah ihn einen Augenblick fest an. Dann wandte er sich zu dem Schuster, der noch nicht zu bramarbasiren aufgehört hatte, und sagte befehlend zu ihm:

– He! Sans-Regret! Siehst Du da das Wirthshaus? Hier nimm diesen Gülden, laß Dir Wein geben, setze Dich an irgend einen Tisch und erzähle Jedem, der es hören will, was Du uns vornäseltest. Verkündige den Mynheers da drinnen die Nachricht, daß König Louis quatorze auf Deine Veranlassung die Niederlande in ein Sodom und Gomorrha verwandeln wird . . .

– Aber das wird eine Bataille . . . bemerkte der Franzose.

– Marsch doch, Sans-Regret! Ich bezahle Dir Deine Prügel.

Der Schuster strich seinen schwarzen Bart, rückte die Pelzmütze und ging in die Dorfschenke. Adrian und Isaak nahmen draußen am Fenster Platz. Der „gute Ostade“ hielt, indeß seine Augen blitzten, den Bleistift auf dem glatten Papier.

– Jetzt sieh, Du ungläubiger Thomas! murmelte Adrian, die Zeichnung beginnend, wie in einer prachtvoll perspectivischen Hütte im Vordergrunde der Schuster mit unwiderstehlich ergreifender komischer Würde fünf Holländern, die um einen Tisch saßen, ihr verderbliches Schicksal ankündigte, während sich einige Männer im Hintergrunde durch rasches Trinken begeisterten, dem übermüthigen Gliede der „großen Nation“ mit ihren geballten Händen den Mund zu stopfen.

– Herrlich! Herrlich! rief Isaak, jetzt ebenfalls warm werdend. Diese verschiedenen Physiognomien der Mynheers sind zu unübertrefflich. Und Sans-Regret ist heute ein ganzer Mann! Das wäre freilich ein Bild!

– Und kein schlechtes! schloß Adrian. Des Künstlers Auge hat aber sicherlich in ihm noch sein letztes nicht gefunden!

Er schloß die Mappe zu, eben als dem Schuster von den übrigen Gästen der Lohn seines Patriotismus’ in fühlbarer Weise ausbezahlt wurde.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/191&oldid=- (Version vom 1.8.2018)