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vor und er war wirklich im Herzen todtkrank. Noch einen Versuch machte er, Jakobäa zu gewinnen. Diesmal aber trafen ihn auf der Treppe de Thouens selbst und van Möllern, welche ihn ohne Umstände durch die Bedienten aus dem Hause werfen ließen.

Jakobäa’s, der Ungetreuen, Verderben war unwiderruflich bei Aart beschlossen. Er wußte sich in de Thouens’ Hause genau zu finden und schlich sich noch an demselben Abende zur Thür hinein. Mit vollkommener Kaltblütigkeit verfolgte er sein Vorhaben. Er kam in Jakobä’as Vorzimmer und durfte nicht lange suchen, was er zu besitzen strebte. Der Schmuck, die Perlen, das Geschenk Floriberts, lag noch auf dem Tische, so wie Jakobäa die Kostbarkeiten zurückgelassen hatte, als sie von ihrer Sitzung bei Netscher aufstand. Aart bemächtigte sich hastig des Schmuckes, ging auf den Corridor und sprang zum Fenster hinaus in den Garten. Am andern Morgen früh erhielt Floribert ein Briefchen und Päckchen. In dem Briefe stand dies:

 „Mynheer!

Höret auf, die Geliebte eines Andern zu lieben. Jakobäa wird nur durch den grausamen Zwang ihres Vaters bewogen, Euch die Wahrheit zu verschweigen. Ich aber sage Euch: Jakobäa, die mir Alles opferte, ist die Meinige. Ich habe noch heute Nacht ihren Schwur empfangen, daß sie lieber mit mir stirbt, als die Eurige wird. Und zum Zeichen der Wahrheit nehmt Eure miserablen Geschenke zurück, womit Ihr ein Menschenherz zu erkaufen gedachtet.
Aart von Sluyner.“ 

Floribert blieb bis zum Abende in seiner Wohnung. In seinem Gehirne schienen die Buchstaben des Briefes zu brennen. Er schrieb mehrere Briefe und legte sie auf den Tisch. Dann ging er zu de Thouens. In Jakobäa’s Zimmer angekommen, zog er schweigend ein Pistol, feuerte ab und schoß das Mädchen nieder. Sie starb ohne noch einmal zu seufzen. Floribert schien die Absicht gehabt zu haben, sich ebenfalls zu erschießen, denn er ergriff ein zweites Pistol. Als er jedoch Jakobäa fallen sah, verlor er die Fassung und entfloh.

Es hieß, er habe in Malta Ordensdienste gefunden. Der geniale Schüler Netschers, van Sluyner, blieb jedoch verschollen. Man hat ihn in einigen italienischen Malern wiederfinden wollen.




Die Hühner und der Raubvogel.
Von Melchior Hondekoeter.

Meister Melchior Hondekoeter, zu Utrecht 1636 geboren, war im Jahre 1662 in der schönsten Blüthe seines Alters; dazu war er ein in seinem Genre hochberühmter Maler, dessen Arbeiten sehr theuer bezahlt wurden: endlich besaß Hondekoeter eine sehr schöne Frau von kaum

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/230&oldid=- (Version vom 1.8.2018)