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Bauernhochzeit.
Von David Teniers.

Das Landvolk von Nordholland, ebenfalls von Friesland und die Bewohner der längs der Nordseeküsten liegenden Sandinseln, ist bekannt durch sein unverrücktes Festhalten an den Sitten der Vorzeit.

Die Bauart der Mehrzahl der Landhäuser in diesen von Alters her stammverwandten Ländern ist der Hauptsache nach seit Hunderten von Jahren dieselbe geblieben. Menschen und Pferde und Kühe, Schweine und Gänse und Hühner leben in patriarchalischer Eintracht unter demselben Dache der langgestreckten, einstöckigen Gebäude. Der Rauch von dem offen an dem weiten, festgestampften Flur liegenden Feuerherde – um welchen sich die Familie schaart – wird selten durch Schornsteine abgeleitet, sondern sucht sich selbst nach Belieben durch das oben aufgestapelte Getreide u. s. w. einen Ausgang. Dieser Gast – sonst eine der Calamitäten des häuslichen Lebens – ist hier zu Lande gern gesehen. Er reift das Getreide nach und spielt bei der Herstellung der berühmten Schinken eine große Hauptrolle.

So wie ihre Wohnungen, so sind die Leute selbst fast ganz den Alten ähnlich. Am meisten zeigt sich dieses bei den Hauptereignissen ihres bescheidenen, harmlosen Daseins, bei Kindtaufen und Hochzeiten.

Für die letzteren ist das Festprogramm vielleicht schon vor fünfhundert Jahren festgesetzt, und wird eine sogenannte „große Hochzeit“, das heißt, eine Hochzeit mit Musik, Tanz und Schmauserei gefeiert; so kann man darauf rechnen, daß diese alten Regeln, welche sogar jedes aufzutragende Gericht und die Folge der Schüsseln bestimmen, unabänderlich in Ausführung kommen.

Die Zurüstungen zu einer solchen Bauernhochzeit sind sehr oft bauernmäßig großartig, und stellen selbst dem Nichteingeweihten eine Hochzeit à la Camacho im Don Quixote in Aussicht. Es ist gar nichts Seltenes, weder in Nordholland, noch in Friesland oder in Westfalen, daß 300 bis 400 Paar, die Kinder ungerechnet, geladen werden. Die Hochzeit dauert regelmäßig vom Sonntag Nachmittag, wo das junge Paar getraut wird, bis zum Mittwoch Abende, wo sich der Troß wieder entfernt. Es ist also sehr natürlich, daß für die schlagfertigen Magen dieser Gesellschaft einige fette Ochsen, mehre Rinder, ein halbes Dutzend Schweine u. s. w. geschlachtet, und furchtbare Batterien von Schiedamer, von Genever, Rum und Bier aufgeführt werden.

Der sogenannte Braut-Bitter, welcher die Einladung der Gäste besorgt, lügt nicht, wenn er in seiner aus uralten Zeiten herstammenden, gereimten Einladungsrede, deren Vortrag etwa eine halbe Stunde erfordert, von „Geflügeln ohne Zahl“ u. s. w. spricht, die zur Restauration der Gäste bereit stehen. Diese Brautrede, im Niederdeutschen und Holländischen gut gereimt, nimmt sich im Hochdeutschen zu sonderbar aus, als daß man sie, der Curiosität wegen, geben könnte. Sie athmet derben niederländischen oder besser niedersächsischen Bauernwitz, dessen Abbild

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/295&oldid=- (Version vom 1.8.2018)