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– Ja.

– Wieviel denn für eines?

– Unter tausend Gulden setze ich den Pinsel nicht an.

Der Waldessohn schien tief nachzusinnen.

– Gieb mir die zweitausend Gulden, welche Du mir vorhin versprachst! sagte er. Dann zieh Deiner Wege.

– Heute Abend besitze ich nicht so viele Stüber! Aber ich schwöre Dir . . .

– Ah so! Es ist gut! unterbrach den Maler der Fremde. Dann wirst Du Dir einige Unbequemlichkeiten gefallen lassen, bis Du mich bezahlt hast. Geh voran. Willst Du mir entrinnen: so schieße ich, und sei versichert, daß ich meiner Kugel sicherer bin, als Du der Deinigen. Marsch.

Ruisdael zum ersten Male in seinem Leben eine reizvolle Landschaft rechtschaffen verwünschend, gehorchte und kam, mit Mühe sein Pferd nach sich ziehend, endlich nach einem kleinen Hüttchen. Die Thür ward geöffnet und ein schönes, junges Weib mit entfesseltem Haar, einen brennenden Kienspahn in der Hand, trat auf die Schwelle und leuchtete die in einen Mantel gehüllte Gestalt des Malers, das dampfende, vom Regen triefende Roß und die wilde, aber höchst malerische Gestalt des Räubers an. Ruisdael stieß ungeachtet seiner Situation einen Ausruf der Ueberraschung über die Schönheit dieser Scene aus.

Der Mann brachte das Pferd in einen alten Holzschuppen und lud den Maler ein, näher zu treten. Hier herrschte die bitterste Armuth. Dies Zimmer, das einzige der Familie, zeigte kaum das Unentbehrlichste. Drei kleine Kinder waren fast nackend.

– Mein Gott, wo bin ich hier? fragte Ruisdael mitleidig.

– Bei einem Excommunizirten, Monsieur! sagte der Mann düster. Ich habe den Abt des nahen Klosters geschlagen, weil er mein Weib verführen wollte; der Bann traf mich; dann travail forcé auf ein Jahr. Vor acht Tagen bin ich zurück gekommen, nachdem man mir zum Abschied den Staupenschlag und ein gewisses Zeichen auf die Schulter gegeben hatte. Im Dorf nahm mich Niemand auf; ich habe diese verlassene Köhlerhütte zur Wohnung nehmen müssen. – Aber noch sind wir nicht verlassen. Du bist da! Ich werde Dir nichts thun; aber Du wirst mir ein Tausendguldenbild malen, ich verkauf’s und gehe nach der neuen Welt.

Am andern Morgen mußte Ruisdael sein Geld hergeben, damit die Frau gehen und kaufen konnte, was zum Zeichnen u. s. w. nöthig war. Vergebens bat Ruisdael um seine Freiheit, indeß er betheuerte, er werde freiwillig die Wünsche seines Tyrannen erfüllen. Er verfiel darauf, durch List sich seines so unerwartet über ihn zur Herrschaft gelangten Peinigers zu entziehen, und diesem abscheulichen Aufenthaltsorte zu entrinnen.

– Ich male nur nach der Natur! sagte er. Ich muß mir hier eine passende Landschaft aufsuchen.

– Gut! Ich gehe mit Dir! sagte der Mann. Aber sprichst Du mit Jemand, verräthst Du Deine Lage: so schieße ich Dich nieder. Ich gebe für mein Leben keinen Deut. Die Hoffnung, welche mir durch Dich eröffnet ward, soll sich erfüllen, oder ich will sterben.

Ruisdael zuckte betreten die Achseln, nahm Papier und Stift und setzte sich mit seinem Begleiter in Marsch. Nach einigen Minuten kamen sie zum Walde hinaus – ein Thal eröffnete

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/303&oldid=- (Version vom 1.8.2018)