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Alle Welt kennt den malerischen, höchst ausdrucksvollen, seine Eigenthümlichkeit in ausgeprägten Zügen zeigenden Kopf des alten Zauberers in der Welt der Farben und der Leinwand. Dieser geniale Kopf war jetzt mit einer sogenannten Kapuzmütze von Fuchsfellen bedeckt. Ein bis zum Knie herabreichender, früher sehr eleganter, jetzt zerrissener und mit Farbenflecken versehener Sammetüberwurf hüllte den Alten ein. Er hatte die Hände auf den Rücken gelegt und stand mit ausgespreizten Beinen da, in der Nachlässigkeit seines Anzuges und seiner Haltung durchaus mit der in dem weitläufigen Atelier herrschenden Unordnung harmonirend.

Die Schüler aber gehörten, so wie sie waren, hier gar nicht her. Es war in der frühen Morgenstunde; trotzdem waren die beiden Jünglinge augenscheinlich in dem besten Putze, welchen sie ihr Eigenthum nannten.

Diese Schüler waren Philipp Koningk und Gerbrand van der Eeckhout. Koningk hatte ein weißes Seidenwamms mit gelbröthlichen Puffen, und eben solche bis in die Schuhe reichende Beinkleider angethan. Ein hellblauer Sammtmantel, und ein Barett von demselben Stoff und derselben Farbe, mit zwei langen weißen Federn, und ein respectabler, schöner Stoßdegen vollendeten den Aufputz des ziemlich hagern, kleinen und bräunlichen jungen Mannes. – Gerbrand van der Eeckhout dagegen hatte seine viereckige, derbe Gestalt in ein schwarzes Sammtwamms mit gelben Puffen gezwängt; an seinen weiten Beinkleidern, auf seinen Aermeln und auf seiner Brust waren wenigstens einige fünfzig Ellen Band als Schleifen verwendet. Diese Schleifen waren rosenfarben. Sein Mantel war schwarz, sein Sammthut mit Federn ebenfalls. Er hatte einen niederländischen Flamberg an der Seite. Eeckhout mit sehr dicken, blonden Locken und mit von Gesundheit strahlenden Wangen schien indeß, ungeachtet seiner martialischen Haltung, eben so wenig Muth, dem Meister Rembrandt gegenüber, zu besitzen, als der in demüthiger Stellung dastehende kleine College. Beide hatten eine große, in Papier gewickelte Rolle in der Hand, auf welche der Alte höchst scharfe, verdächtige Blicke warf, die die Schüler auch daher, so weit dies möglich war, zu verbergen suchten.

– Mynheers, was soll diese Maskerade? fragte Rembrandt, ziemlich unmuthig die Jünglinge von oben bis unten musternd. Wißt Ihr nicht, daß Hasenfüße und Kleidernarren hier durchaus nichts zu suchen haben? Steh mir der Himmel bei . . . Würde es wohl ein vernünftiger Mensch glauben, daß Ihr, Mynheer Spanier Koningk, und Ihr Mynheer Venetianer van der Eeckhout, die hoffnungsvollen Burschen seid, welche ganz einfach bei dem alten Rembrandt pinseln lernen?

Koningk murmelte etwas von: „Verzeihung“, und Eeckhout von: „wichtigen Ursachen“. Rembrandt antwortete darauf nicht.

– Und das möchte noch immer sein, sagte er, wäre der Geschmack nicht so entsetzlich, den Ihr bei Eurem Herausputzen an den Tag legt. Wo Teufel habt Ihr die Idee her, Euch anzuziehen wie der Mastochse, den die Fleischer vor Pfingsten durch die Stadt zur Parade ziehen? Wer hat Euch die Farbenharmonie beigebracht, die ich an Euren Leibern bewundere? Warum drapirt Ihr Euch nicht Euren Persönlichkeiten gemäß; warum kleidet Ihr Euch nicht charakteristisch? Philippchen, wenn er schwarzes Seidenband und schwarze Seidenpuffen trüge, wäre bei Gott ein ganzer venetianischer Nobile, und das fette Gerbrändchen gehört ganz natürlich in Philippchens Kleidung . . .

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/389&oldid=- (Version vom 1.8.2018)