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– Gott bewahre! rief Rembrandt. Ihr seid Beide sehr verschieden an Geist wie an Körper. Macht keine gemeinschaftliche Sache. Verfolgt Eure Ausbildung Eurem Charakter gemäß, und Ihr werdet Beide gute Maler, jeder in seiner Weise, werden. Hier scheidet sich die Freundschaft zu Gunsten der Kunst; jeder Mann geht seinen eignen Weg.

Diese Bemerkung hatte die Redner augenscheinlich etwas aus dem Concepte gebracht. Eine Pause trat ein. Philipp Koningk sah niedergeschlagen auf den Boden.

Eeckhout aber war warm geworden.

– Mynheer Rembrandt, sagte er, die verschiedensten Charaktere können dasselbe höchste Ziel, dasselbe Ideal erwählen, unbeschadet des Weges, welchen sie einschlagen, um solches zu erreichen.

– Du kannst über Malerei raisonniren, bevor Du noch malen kannst? Auch ein Zeichen der Zeit und kein gutes! murmelte Rembrandt sehr geärgert, denn er konnte alles Mögliche, nur keine Kunsttheorieen ertragen.

– Unser höchstes Ziel ist die Liebe, fuhr Eeckhout fort, die Liebe, die Königin der Kunst und des ganzen Weltalls.

– Laß jetzt aber Deine religiösen Ansichten weg! bemerkte Rembrandt. Wir wissen sämmtlich, Gerbrand, daß du in biblischer Hinsicht uns Alle und mich selbst zurücklässest!

– Die Bibel stimmt mit der Welt, wie sie ein Künstler sieht, sagte Eeckhout, nur zu genau zusammen, auch wenn man nicht katholisch ist. Ich bin ein Maler und vermöge meiner Kunst verdamme ich selbst die Traditionen der Kirche nicht; denn sie geben mir eine Himmels- und Erdenkönigin. Wohlan, Meister van Ryn, diese Königin habe ich, haben wir gefunden. Sie ist kein Mythus, kein Gedankenbild mehr, sie lebt; sie lebt in diesen Räumen; – diese Dame, diese Madonna, welche Alles in sich schließt, was wir, Philipp und ich, von der Welt, von der Kunst und ihrer Wirkung fordern, lebt unter diesem Dache . . . Mynheer Rembrandt, Ihr habt eine Tochter, Katharina . . . Wir Beide lieben sie mit heißer Inbrunst. Wir sind gekommen, Euch um Katharina’s Hand zu bitten . . . Die Wahl zwischen uns bleibt Katharina und Euch, Meister, überlassen. Ihr sollt entscheiden, wer von uns Freunden der Glückliche sein wird.

Rembrandt schwieg lange Zeit, bevor er antwortete. Trotz seines barschen Wesens liebte er seine Schüler leidenschaftlich, obgleich er es sich sehr selten merken ließ. Er sah die Jünglinge an und ward sehr betrübt; denn scharfsichtiger, als ihm die Unbefangenen zutrauten, hatte er ihre Liebe zu seiner Tochter nicht allein, sondern auch die Gewißheit entdeckt, daß das Herz der reizenden Katharina bereits einem Andern, als diesen begeisterten Werbern angehörte. In einem Augenblicke übersah der geniale Meister die ganze Situation. Von Katharina konnte keine Rede sein. Es kam nur noch darauf an, die Jünglinge anzuspornen, damit sie der Kunst erhalten wurden und durch ihre hoffnungslose Liebe nicht mit sich selbst zerfielen.

Rembrandt zog seine Klingelschnur und forderte drei Flaschen edlen, alten Weins vom Rhein. Dann setzte er sich neben die Jünglinge.

– Ich danke Euch, Kinder, sagte er, Jedem die Hand reichend, für die Ehre, welche Ihr mir und meiner Tochter heute gegeben; denn sicherlich ist eine Bitte, von solchen wackern Jungen, wie Ihr seid, vorgebracht, selbst dem Statthalter der Niederlande keine Schande. Aber,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/395&oldid=- (Version vom 1.8.2018)