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und keine Menschen zu bilden strebe, welche einen Jugendgedanken zum Nachtheile ihrer feierlichen Lebensaufgabe festhalten. Seid Ihr mit mir einverstanden? Wollt Ihr wieder Eure schmutzigen Blousen anziehen, und die Arbeit aufnehmen, wo Ihr sie verlassen habt?

– Ach ja! Wir wollen! Aber bester Meister, laßt uns nur einen Schimmer von Hoffnung auf Katharina’s Besitz und wir werden den Herkules an Ausdauer überbieten! rief Eeckhout.

– Ihr habt den vollen Sonnenschein der Hoffnung, so weit meine Macht reicht! Katharina aber wird selbstständig entscheiden.

Koningk und Eeckhout malten in der Hoffnung auf die Hand Katharina’s ein halbes Jahr lang mit eisernstem Fleiße. Bereits ausgezeichnet vorgebildet, konnten sie sich allgemach ohne zu erröthen, mit ihren Schöpfungen den berühmten Meistern Niederlands anschließen.

Katharina aber verlobte sich mit dem schönen Sohne eines der reichsten Amsterdamer Rathsherren.

Glücklicherweise waren beide Liebhaber so weit gekommen, um sich vorläufig durch ihre Erfolge in der Kunst über den Verlust einer der schönsten Töchter Niederlands nach und nach zu trösten.




Loth und seine Töchter.
Von Guercino da Cento.

Guercino, das heißt der Schielende, ist der Beiname des Malers, welcher Giovanni Francesco Barbieri hieß. Er war zu Cento, in der Nähe von Ferrara, im Jahre 1590 geboren und starb im Jahre 1666 zu Bologna. Die künstlerische Ausbildung dieses Meisters bietet dem Forscher interessante Umstände dar. Es ist gewiß, daß Barbieri nur durch eigene Kraft zu dem bedeutenden Künstler wurde, als welchen wir ihn anerkennen; denn der Unterricht, welchen er von Cremonini empfing, möchte nur wenig fördernd auf ihn eingewirkt haben. Selbst sein späterer Meister, wohl der einzige, welcher diesen Namen verdient, Benedetto Gennari, sein Schwiegervater, hat nicht den geringsten ersichtlichen Einfluß auf die Manier, in welcher Guercino malte, ausgeübt. Ein Schüler der Caracci war dieser Maler nie in dem Sinne, daß er ihre Akademie besuchte.

Dennoch eignete er sich die eklektische Methode der Caracci mit der richtigen, fast rigorosen Zeichnung, der klaren, kräftigen Färbung vollständig an und malte eine längere Zeit in diesem Style. Sein Geist war jedoch zu lebendig, als daß er das „Gehaltene“, welches in der Weise der Caracci liegt, nicht hätte überspringen sollen. Caravaggio hatte seine Blüthe erstiegen und seine Bilder voll Leidenschaft und schlagenden Effecten rissen den Guercino in diese neue Bahn. Jetzt ward seine Correctheit inhaltsreicher, die Formen lebensvoller, die ganze Manier breiter und die Färbung mannigfaltiger und brillanter. Obgleich wenig idealisirend und die Natur gleich dem Caravaggio meistens nur schlechthin auffassend, zeigen Guercino’s Bilder aus dieser Periode eine bedeutende Kräftigkeit, Wahrheit und ein herrliches Colorit. Weniger schöpferisch

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/397&oldid=- (Version vom 1.8.2018)