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boshaften Gesichte der „böse Hamann“ – legt den Finger und zwar den Daumen auf den Mund, zum Zeichen, er werde nichts ausplaudern, indeß zwei Musikanten im Hintergrunde eifrig einige Worte zu erlauschen streben. Ein dicker Eunuch mit federgeschmückter Kappe schmunzelt rechts; ein gleichgültiges Dienergesicht zeigt sich neben ihm.

Die ganze Composition des Gemäldes entbehrt eines hervortretenden Gedankens. Das Einzige, was man unzweifelhaft errathen kann, ist der Befehl des Königs an seine Vertrauten, das Schlafzimmer der neuen Königin in Bereitschaft zu setzen. Die feierliche, offizielle Hochzeit scheint erst heute gefeiert zu werden.

Dies so inhaltleere, ganz das eigenthümlichste Gepräge Rembrandtischer Erfindung tragende Gemälde ist dagegen von einer Pracht der Malerei, welche unvergleichlich genannt werden muß. Streiflichter von außerhalb des Bildes treffen die Partien links; die Vordergruppe zeigt sich im tiefsten Schatten, weil jenseit derselben auf der Tafel – dem Beschauer jedoch unsichtbar, – das Licht steht, wodurch die Königin so hell angestrahlt wird, daß das Auge zu ihr, als dem Mittelpunkte des Gemäldes, immer wieder zurückkehrt. Dem Könige hat Rembrandt nach seinen sonderbaren Einfällen, da er ihn halb in Schatten hüllte, sicherlich nur ein secundäres, halbes Interesse bereiten wollen. Vorn im Bilde steht ein goldener Kühlnapf mit einer Weinkanne drin und hinter dem Glanzpunkte des Bildes, der Esther, sieht man eine hell beleuchtete Tapete, genau mit den Mustern der Brüsseler und Antwerpener goldgepreßten Ledertapeten des siebzehnten Jahrhunderts versehen.

Abgesehen von der unübertrefflichen Technik des Meisters, wodurch er die siebzehn Theilnehmer des Festes auf frappante Weise von einander zu halten weiß, abgesehen von dieser Färbung, welche fast zaubergleich wirkt, steht es um das Costume, welches er anwandte, so wie um das Charakteristisch-Altpersische des Ganzen äußerst bedenklich. Um den Tadel zu mildern, ist indeß hervorzuheben, daß die Quellen, woraus wir Schlüsse auf damalige Kleidung und häusliche Sitten der Perser ziehen können, damals allerdings noch nicht so bekannt waren, als heute. Die Kopfbedeckungen der Männer haben meist einen alttürkischen Anstrich; das Costume ist seltsam zusammengewürfelt und reine Phantasie des Malers. Sonderbar genug ist indeß die Kleidung des Königs, wenn der Rock nur weiter zu den Füßen hinabreichte, nicht so bedeutend von dem Costume verschieden, welches nach Porter und Ouselmy, Morier und Rey (Sculpturen der Chil-minar von Persepolis) die Könige der Dynastie trugen, der Ahasverus angehört.

Das Bankett entspricht indeß weniger der persischen als der holländischen Sitte: Frauen wurden nur ausnahmsweise berufen, Theil an solchen Festlichkeiten zu nehmen, und in solchem Falle war die Erscheinung der Weiber so ungewöhnlich, daß die Königin Vasthie lieber Thron und Reich verlor, als bei dem Gastmahle des Königs erschien.

Dieser König, welcher in der Bibel, Buch Esther, Ahasverus heißt, ist unzweifelhaft derselbe, den Esra und Nehemia Arthasastha, das ist, Artaxerxes nennen und mit dem Artaxerxes I., genannt Langhand (Longimanus) dem Sohne und Nachfolger des großen Xerxes, den die Profangeschichte kennt, aller Wahrscheinlichkeit nach eine und dieselbe Person. Ahasverus, richtiger Ach-asch-verosch, ist übrigens ein Titel und kein Name, den mehre persische Herrscher führten und welcher „Der Glanzvolle oder der Majestätische“ bedeutet. Artaxerxes regierte

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/455&oldid=- (Version vom 1.8.2018)