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Er ließ seinen bisher erhobenen Degen sinken, fast unwillkürlich mit demselben vor dem Italiener salutirend.

– Ich denke auf meiner friedlichen Reise keine Feinde zu finden! sagte der Jüngling sich zum Gegengruße anmuthig verbeugend. Ich heiße Marco Antonio Franceschini, bin Maler, ein Schüler des berühmten Meisters Cignani in Bologna, und befinde mich nach einer ziemlich beschwerlichen Reise zum ersten Male in dieser Gegend, um zu versuchen, ob ich Cartons zu musivischen Arbeiten für den Rathssaal zu Genua zu liefern vermag . . .

Der Franzose zog seinen duftenden Lederhandschuh aus und reichte dem Künstler die Rechte.

– Ich begrüße Euch, Herr Maler, und versichere Euch meiner aufrichtigen Hochachtung. Ich bin der Chevalier La Touche, Colonel im ersten Regiment der Fußgarden des Königs von Frankreich, komme von Torino und werde versuchen, vom ersten besten Flecke dieser Küste aus nach irgend einem französischen Hafen zu reisen, und solltet Ihr mir bei diesem Versuche bis Genua Gesellschaft leisten und vorkommenden Falls Euren tapfern Arm zu Diensten stellen wollen, so werden Euch zwei edle Herzen für Euren Freundschaftsdienst auf immer Dank wissen.

Antonio Franceschini war nichts weniger als feig und zaghaft, und sein Degen wußte schon von mehr als einem blutigen Rencontre zu erzählen.

– Ich bin der Eurige! sagte er daher und ritt dich neben La Touche, der sein ermüdetes Pferd in einem faulen Trabe zu erhalten sich bemühte.

Die Kutsche ward, ungeachtet sie mit vier starken Mauleseln bespannt war, bald eingeholt. Ein blendend weißer Arm schlug die grünen Vorhänge inwendig von den Fenstern zurück und ein hinreißend schönes Frauenantlitz schaute mit einem angstvollen Blicke auf die beiden zur Seite des Schlages trabenden Männer.

La Touche streckte, dem Maler einen vielsagenden Blick zuwerfend, die Hand grüßend nach der reizenden Dame aus. Er schien fragen zu wollen:

– Ist hier selbst für einen Fremden nicht genug Ursache, um zu fechten und nötigenfalls zu sterben?

Franceschini war fast erschrocken über den hohen Stand der augenscheinlich flüchtigen Dame, auf welchen ihre beiden reich gekleideten Dienerinnen und ein in der Hinterchaise ziemlich angstvoll sitzender rabenschwarzer Negerknabe schließen ließen.

La Touche sah den Künstler bedeutungsvoll an; dann sagte er nach längerem Schweigen:

– Eine Frage schwebt auf Euren Lippen: wer ist diese Dame? Ich sage Euch, Freund, sie ist heute nichts als ein liebendes Mädchen, als die Geliebte desjenigen, der neben Euch reitet. Und zur Rettung eines Liebespaares möchtet Ihr, ein Künstler, der Herzensempfindungen versteht, noch wohl besser beitragen können, als dadurch, daß Ihr uns einfach Gesellschaft leistet. Wollt Ihr für jene Kutsche sammt den vermaledeiten, lahmgewordenen Maulthieren, so wie sie da sind, Euer feuriges, kräftiges Pferd mir abtreten? Uns ist ein Pferd wahrhaft mehr als ein Königreich, es ist unser Leben werth . . . . . Meine Dame fürchtet den Sattel nicht, und sind wir Beide beritten, so können wir unbemerkt fortkommen, statt jetzt gleich dem Großmogul zu reisen.

Franceschini war leicht exaltirt. Er stieg sofort vom Pferde und schwor, er werde für die Dame nicht allein bis nach Genua, sondern bis an’s Ende der Welt zu Fuß gehen. Die

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/478&oldid=- (Version vom 1.8.2018)