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dem ungeheuren Salto mortale in den Armen der Marquise de la Foix zu sehen und zu sprechen.

Sie verbeugte sich daher, als die La Bresson ihr den Arm bot und häkelte sich an ihre Nebenbuhlerin selbstverleugnend an. Die übrige Gesellschaft folgte: Saint Foix, schon im voraus gastronomische Wonnen empfindend, Farini für sich menschenfeindlich oder vielmehr weiberfeindlich murmelnd, aber dennoch allmälig bei dem Gedanken an den zukünftigen Falerner guter Laune werdend.

Der Platz vor dem italienischen Theater war leer geworden. Jetzt erst trat ein schlanker und junger Mann aus dem Schatten eines Mauervorsprungs, seufzte tief auf und schaute den Verschwundenen sehnsüchtig nach. Zuerst folgte er ihnen mit raschem Tritte, dann stand er unschlüssig still, lief eben so eilig rückwärts, um abermals mit verdoppelter Schnelligkeit seinen ersten Weg zu machen, doch nur um sich bald zum zweiten Male umzuwenden und in ein, von heftigen Gesten begleitetes, halblautes Selbstgespräch sich zu vertiefen.

Lautes Gelächter unterbrach ihn in seiner poetischen Beschäftigung, und langsam trat ein anderer in einen Mantel gehüllter Mann an ihn heran.

– Ist Maître Antoine Watteau wirklich gesonnen, hier unter freiem Himmel den „Arlequin Misanthrope“ nachträglich aufzuführen, damit die Nachtwächter eine Idee von theatralischer Kunst bekommen? fragte der Angekommene.

– Ah, Du bist’s, Boulaye! sagte Watteau zerstreut. Ich versichere Dich indeß, daß ich heute Nacht zu nichts weniger aufgelegt bin, als dazu, Deine ewigen Schraubereien anzuhören.

– Vortrefflich, Antoine! Ganz wie ein Misanthrop geantwortet. Ich bin jedoch, mit Deiner menschenfeindlichen Erlaubniß, der Meinung, daß Schraubereien, wie Du es nennst, im höchsten Grade Dein Geschmack sind . . . Würde ich sonst wohl versuchen, meinen Busenfreund damit zu unterhalten? Denke doch gefälligst an diesen schiefen Saint Foix! Ich habe mit wahrer Verwunderung gesehen, wie Du Dich von diesem boshaften, naschhaften, gefräßigen Pavian ganze Stunden lang auf die groteskeste Manier, die es geben kann, schrauben nicht nur, sondern aufziehen ließest . . . Wie? – Aber Du wirst mir einwenden: dann war auch Madame Saint Foix gegenwärtig, welche die Güte hatte, mich wie mit einem undurchdringlichen Schilde gegen die Stöße und Hiebe des Chevaliers de Saint Foix zu verpanzern. Auch gut! Ich werde, da ich es unmöglich unterlassen kann, mich über einen Misanthropen lustig zu machen, Madame de Saint Foix holen, damit Du an meinen Witzen über Dich nicht etwa Gelegenheit nimmst, auch gegen mich, den letzten Deiner Freunde, der trotz Deiner Unausstehlichkeit bei Dir ausharrte, im Ernste wüthend zu werden.

Sobald Theodor de Boulaye den Namen der Madame de Saint Foix genannt hatte, ging mit dem Maler eine rasche Veränderung vor. Er hatte bisher die Arme gekreuzt, den Kopf tief herabgesenkt und stand, von Theodor abgewandt, in der vollkommensten Attitude eines Tirannen oder Bösewichts der Bühnenwelt unbeweglich da. Jetzt warf er den Mantel zurück, schob den Federhut aus der Stirn, ergriff den Marquis sanft am Arm, zog ihn dicht an sich und flüsterte mit zärtlichem Tone:

– Ich sah sie heute Abend! Hier stand sie, hier!

– Und wo standest denn Du? fragte Theodor.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/539&oldid=- (Version vom 1.8.2018)