Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/559

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Vom ersten Augenblicke an war Paul Rembrandt jedoch durchaus in Composition wie in Bearbeitung seiner Vorwürfe einer so selbstständigen, originellen Richtung anheim gegeben, daß er sich von seinen Kunstgenossen zurückzog, auf die einsame Mühle seines Vaters sich begab und, Alles, außer der meisterhaften Technik, ignorirend, nur auf sich selbst und die handgreifliche Wirklichkeit sich stützend, zu malen begann. Es war seine unumstößliche Meinung geworden, daß die Natur, gleichviel wie sie erscheine, die einzige Führerin des Künstlers sein müsse. Er erreichte wirklich den höchsten Grad äußerlicher Wahrheit in seiner Kunst, und sein Ruf verbreitete sich sehr bald durch ganz Holland und Frankreich. Paul Rembrandt verheirathete sich mit einer Bäuerin aus Leyerdorp, in welcher er, so weit für einen Künstler von so materieller Richtung ein Ideal stattfinden konnte, sein Ideal der Schönheit gefunden hatte. Als seine Ausgaben stiegen, begab er sich nach dem Haag, wo seine Bilder wahrhaft Rubens’sche Preise erfahren hatten.

Er schloß sich auch hier, wie bisher, vollständig ab, verkehrte nur mit Leuten gemeinen Schlages – seinen Originalen–und ward durch seine Darstellungen des niedern Lebens von Tage zu Tage berühmter, reicher und geiziger. Was er indeß als Maler erwarb, verschleuderte er als Sammler der Meisterwerke der Künstler italienischer und spanischer Schule, so daß er arm in Amsterdam starb: – 1674.

Paul Rembrandt’s origineller, nicht selten bizarrer Charakter war seinem Streben als Künstler nachtheilig. Ohne Kenntnisse in den für einen Maler so nothwendigen Wissenschaften der Geschichte, Mythologie u. s. w. und von keinen erhabenen Phantasien gleich Rubens und Van Dyk emporgetragen, blieb er, dem es nur um möglichste Naturtreue und schlagende Effecte zu thun war, einseitig, fast abstoßend, zumal da er über der fesselnden Färbung Composition und Zeichnung selten einer großen Aufmerksamkeit würdigte.

Höchst bewundernswürdig, von wenigen Meistern erreicht, ist er hinsichtlich des Ausdrucks, des Colorits, ganz besonders aber wegen seines Helldunkels. Seine melancholische und dennoch grelle Beleuchtung, seine wahrhaft magische Färbung, wobei entweder das Licht scharf von einer Seite, oder geheimnißvoll oder blendend von oben fällt, fesselt den Beschauer fast unwiderstehlich. Gewöhnlich hat Paul Rembrandt eine ausgezeichnete, fast minutiöse Bearbeitung seiner Köpfe, Figuren und Gewänder, wie auch der Nebensachen und Staffagen. Sein Nacktes ist uncorrect, massig; so prachtvoll er Gesichter und Hände malte, so wenig verstand er, der Anatomie unkundig und der Fleischtöne kaum mächtig, Fleischpartien oder nackte Figuren gleich Rubens zu malen. Seine Gewandung ist reich; die Stoffe sind täuschend nachgeahmt; die Drapirung voll, aber überladen und nur selten von antiker, graziöser Einfachheit; die Perspektive aber ist mangelhaft und voller Fehler.

Es konnte, bei dieser Richtung und Ausbildung des Künstlers, nicht anders sein, als daß von den sehr zahlreichen Gemälden desselben die Portraits und die Portraitstücke einen solchen Rang einnehmen, daß seine geistlich-historischen, seine Conversations-Bilder und sogar seine effectreichen Genrestücke hinter den Portraits zurückstehen müssen.

Nachdem wir erwähnt haben werden, daß Rembrandt, gleich großer Kupferätzer als Maler, mindestens gegen 400 geätzte Blätter lieferte, welche meist unübertrefflich und daher ausgezeichnet gesucht sind, und nachdem wir von seinen zahlreichen Schülern den besten, Goevaert Flink,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/559&oldid=- (Version vom 1.8.2018)