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schon so theure Amati-Geige in seinen Augen einen unschätzbaren Werth und nur mit Rührung ergriff er sie, um ihr die süßen Töne zu entlocken, welche sie in sich verbarg, und als er bald darauf sein eignes Bildniß malte, stellte er sich mit seiner geliebten Geige in dem Augenblicke dar, in welchem er durch ihre Macht seinen höchsten Schatz wieder eroberte.




Holländische Winter-Landschaft.
Von van der Velde.

Wer blickte nicht mit lebhaftestem Wohlgefallen auf diese mit gewandtester Wahrheit gemalte Scene aus dem Tagesleben der Niederländer? Das ganze Bild des Meisters ist von einer ausgezeichneten Gefälligkeit; das Volksleben ist von einer echt künstlerischen Seite aufgefaßt – einer der Vorzüge van der Velde’s. Wir werden bald Gelegenheit haben, diesen Maler und seine Kunst näher zu charakterisiren, weshalb hier diese Notiz genügen möge.




Die Lautenspielerin.
Von van der Neer.

In das Haus des ehrenwerthen Rathsherrn Aart van Jongh an der alten Westewaagen-Straat zu Rotterdam kamen an einem schönen, heitern Abende des Spätherbstes des Jahres 1769 viele der angesehensten Personen der Stadt. Die mit breiten goldgepreßten Ledertapeten verzierten Zimmer füllten sich allmälig mit geputzten Herren und Damen, und unter den letzteren glänzte vorzugsweise eine Brabanterin, Helene Du Chatel, eine entfernte Verwandte des reichen Gastgebers.

Helene war eine Dame von etwa fünfundzwanzig Jahren, von ausgezeichnetster Tournüre, eine selbstbewußte, stolze Schönheit, die gleich der berühmten Holländerin Maria van Schurmann als Schriftstellerin in lateinischer und französischer Sprache excellirte, eine fast unübertroffene Meisterin im Clavier- und Lautenspiel war und in der Miniatur-Malerei mit einem Mieris und Dow wetteiferte. Sie war blond; gelocktes Haar ringelte sich um Stirn und Nacken; man vergaß die auf dessen Anordnung verwendete Kunst, so vollendet erschien dieselbe in ihrer Nachlässigkeit. Prachtvoller venetianischer Sammet mit Hermelin besetzt umschloß Helenens Formen und die Schürze von Nesseltuch und Brabanter Spitzen über dem Unterkleide war wahrhaft köstlich.

Diese Brabanterin übernahm mit einer Leichtigkeit und einer Anmuth, als sei sie die geborne Fürstin dieser Versammlung, die Führung der Unterhaltung, während der alte Senator ihr die ankommenden Gäste vorstellte.

Unter diesen befand sich Adrian Güldensteen, ein schöner, junger leydener Doctor, und

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/71&oldid=- (Version vom 1.8.2018)