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gerathen war. Sie liebte den schönen Maler, welcher kaum halb ihre mächtig und ohne Rückhalt hervorbrechende Gluth erwiderte, und von diesem Augenblicke an war sie taub und empfindungslos gegen die Aufmerksamkeiten und Bewerbungen des glänzenden Kreises von Anbetern, welcher sie umlagerte.

Jedenfalls der bemerkenswertheste dieser Verliebten war der Liebling Mazarins und Lyonne’s, der Graf d’Avaux von der französischen Gesandtschaft. Der Graf war einige Jahre älter als Terburg, höher und von imposanteren Manieren als dieser, und kaum konnte der Herzog von Dunois und Longueville die Pracht verdunkeln, welche dieser Cavalier aufwandte. Alessandra hatte nie etwas Aehnliches gesehen, als die prachtvollen Perlenschnuren und ein Halsband von Diamanten, das ihr der Graf d’Avaux mit einem Briefe sandte, in welchem er ihr beschwor, er werde nur seiner Liebe zu ihr gehorchen, sich um sein adeliges Wappen mit der Herzogskrone drüber nicht kümmern, sondern sie, die Sängerin, zu seiner Gemahlin machen, wenn sie es über sich gewinnen könne, seinen Bitten Gehör zu geben. Signora Faletti aber sandte, ohne nur ein Wort zu erwidern, das Brautgeschenk wieder zurück.

An demselben Abende, spät nach dem Theater, trat der Graf zu großer Ueberraschung der Italienerin, welche ihre Wohnung und ihr Zimmer gut verschlossen glaubte, in ihr Gemach. Alessandra war fast im Nachtkleide. Ihr reiches, braunes, goldig schimmerndes Haar war aufgelöst und fiel der im Divan Sitzenden in großen Wellen über Schultern und Arme bis in den Schooß, wo ihre gefalteten Hände lagen. Die Füße waren auf eine gepolsterte Bank gesetzt, so daß sich die goldgestickten Spitzen ihrer kleinen Atlasschuhe unter der silbergrauen Wolke des seidenen Unterkleides neugierig hervorstahlen.

Die schöne Frau hatte sich mit dem Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, und ihr träumerisches, schwarzes Auge heftete sich, indeß tiefe Blässe ihre antik geformten Züge überzog, unverwandt nach ihrem von Terburg gemalten Bildniß, vor welchem ein zierlicher Armleuchter brannte.

– Das bist Du! Du bist’s! hatte sie geflüstert. Das ist Deine Stirn, das muthwillige Blitzen Deines Auges und der schönste Strahl Deines Lächelns umzieht jenen Mund. Wie schön bist Du, Mädchen, auf der Leinwand, wie schön! Und doch wie erbärmlich ohnmächtig sind Deine Reize! Kannst Du ein Herz fesseln, wie ich es liebe? O, gewiß, Du kannst nicht, sonst hätte sich der Maler in sein eigenes Werk verliebt, bevor er noch den letzten Pinselstrich gethan hätte.

In diesem Augenblicke trat der Graf d’Avaux bei der Sängerin ein. Das Mädchen sprang entsetzt in die Höhe und rief laut nach ihrer Dienerin.

– Schöne Frau, bemühen Sie sich nicht! antwortete d’Avaux mit tiefer Verbeugung. Giulietta ist mitleidiger gewesen als Sie und hat mich hier eingelassen. Sie wird Ihrem Rufe nicht gehorchen, denn endlich, ja endlich muß ich ungestört diese Unterredung mit Ihnen haben, von welcher mein Leben abhängt . . .

Alessandra machte, noch immer der Sprache nicht wieder mächtig, eine heftige, fortweisende Bewegung.

– Sie wollen mir nicht antworten? Wie Sie wollen; aber anhören werden Sie mich von Anfang bis zu Ende. Ich sehe, Sie, meine Dame, haben die Idee, dies Haus und die Nachbarschaft zu allarmiren . . . Ich werde in diesem Punkte keine Rücksicht kennen . . . Sie sind in

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 705. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/722&oldid=- (Version vom 1.8.2018)