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und aus der furchtbar prächtigen Etschpforte ins Tiefland stürzt, zeigt zwar noch im Sommer ihre leidenschaftliche Natur in dem raschen Treiben der Gewässer. Aber was ist der Tiber mit seinen meist trüben, schleichenden Wellen gegen die Kräftigkeit der silberhellen Adige, welche blitzt gleich den schneebedeckten Firnen, aus deren Busen sie quillt. Das Wasser der Etsch verliert selbst im Sommer seine auffallend niedrige Temperatur nicht. Die Kähne und Gondeln mit Schnäbeln, weniger hoch als die in der bella Venezia, aber vielleicht anmuthiger als die Gondeln der Lagunenstadt geformt, beleben noch heute, um nichts verändert, wie auf Canaletto’s Gemälde die Adige. Nur sind gegenwärtig viele in London oder Portsmouth mit raffinirter Kunst erbaute Yollen zu dieser Staffage hinzugekommen, welche auf malerische Weise, Segel gleich den Flügeln eines Fregattvogels tragend, die Fluthen der Etsch pfeilgeschwind durchschneiden, während einer der blonden Insulaner mit einer solchen Würde steuert, als führe er ein englisches Kriegsschiff vom ersten Rang.

Zu Canaletto’s Zeit hatte Verona gegen acht italienische Meilen im Umkreise, war aber verhältnißmäßig sehr schwach bevölkert. Sie war mit gewaltig starken Mauern versehen und ihre wasserreichen Gräben und trotzenden Wälle, die Citadelle di San Felicio, Castell San Pietro und Castell Vecchio machten sie zu einer der festesten Städte Oberitaliens. Sie gehörte der stolzen Republik und ihr oberer Seelenhirt war der Patriarch von Aquileja. Das weltberühmte Amphitheater befand sich so ziemlich in demselben Zustande wie noch jetzt – hier scheint der zernagende Zahn der Zeit spurlos vorüberzugehen. Dies Bild Canaletto’s welches aus seiner spätern Zeit stammt, besitzt alle die eigenthümlichen Vorzüge, welche den Werken des Malers Unsterblichkeit sichern, eine unübertreffliche Richtigkeit der Zeichnung und der Perspective, welche durch meisterhafte Abdämpfung der Tinten noch wirksamer gemacht wird; einen harmonischen Farbenton von paradiesischer Klarheit und bei aller Sorgfalt in Ausführung der Einzelnheiten doch eine auf den Totaleindruck berechnete große Behandlung des Ganzen, deren Geheimniß darin liegt, das minder Wesentliche den Hauptsachen geschickt unterzuordnen, so daß man ein solches Bild als von selbst entstanden bezeichnen könnte… ein Ruhm, dem nichts weiter hinzugefügt werden kann.




Das Kloster.
Von Philipp Wouvermann.

In Brabant, im Hennegau und an den französischen Ostgrenzen herrschte eine pestartige Seuche, welche dem Tode eine reiche Ernte zuführte. Diese war im höchsten Grade ansteckend und die Furcht vor der Ansteckung machte die Menschen unbarmherzig; sie schlossen und sperrten sich ab; flohen von ihren nächsten Verwandten, sobald diese von der Krankheit ergriffen wurden und nur die Zellenbrüder, von der Regel des heiligen Franziscus von Assisi, wagten es, die Todten aus den Häusern zu holen, und sie still ohne Sang und Klang zu begraben. Zur Kirche

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 863. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/880&oldid=- (Version vom 1.8.2018)