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Der Inhalt dieses Stücks kann unmöglich vollständiger getroffen und bezeichnet werden, als eben durch diese Skizze aus dem Leben des Malers.

Caravaggio war noch jung, als er, von Mailand und Venedig kommend, in Rom eintraf. Hier herrschte damals schon in der Malerwelt Giuseppe Cesari, genannt Josepin il Cavaliere d’Arpino, ein Römer von Geburt; die bedeutendste Erscheinung unter den sogenannten Manieristen. Sein blühendes Colorit, seine ungewöhnliche Handfertigkeit machten ihn zum ersten damaligen Maler der römischen Schule, zum Lieblinge des Papstes Clemens VIII. und des Cardinals Bischof Ottoboni von Palestrina. Caravaggio suchte die Bekanntschaft des Meisters, und ungeachtet ihrer geradewegs sich entgegenlaufenden Richtungen entstand zwischen Beiden ein Freundschaftsverhältniß. Dies wurde noch enger geschürzt, als der heißblütige Caravaggio für die einzige schöne Schwester Cesari’s, Teresina, eine der Heftigkeit seines Charakters entsprechende Neigung faßte. – Aber der Launische, Ungestüme zerriß die Bande der Liebe sehr bald, noch rascher, als er sie angeknüpft hatte. Er verließ Teresina, und schloß sich einer Gesellschaft lebenslustiger Künstler und Cavaliere an, und es währte nicht lange, da war Caravaggio das Musterbild der Wüstlinge Roms. – Aber eben aus diesen Zweikämpfen, diesen Zechgelagen und Verführungsgeschichten junger Mädchen und Männer, aus diesem ganzen bacchantischen Treiben, in welchem jeder Andere zu Grunde gegangen wäre, nahm unser Künstler seine beste Kraft und die Stoffe zu seinen, durch ihr Pathos unwiderstehlich ergreifenden Kunstschöpfungen.

Es waren die ersten Schritte, die der junge Mann, nachdem er die Schule hinter sich hatte, auf seiner eigenen Bahn machte, und dieser Anfang war für seine folgende Wirksamkeit entscheidend.

Seine die gluthherzigen Italiener mit voller Macht packenden Gemälde, die charakteristisch zur Erscheinung brachten, was in jener Zeit vor dem dreißigjährigen Kriege in allen Gemüthern gährte, ließen die oberflächlichen Arbeiten des idealisirenden Giuseppi Cesari und seines Anhanges zu bleichen Schatten und Nebelbildern herabsinken. In diesen, getreue Naturwahrheit und mächtiges Gefühl athmenden, psychologischen Nachtstücken war von Caravaggio dem früheren Freunde und seiner Schule ein Kampf auf Leben und Tod angekündigt. Und Caravaggio kämpfte als ein Mann. –

In eben der Zeit ward dem einzelnstehenden Michel Angelo eine mächtige Hülfe. Von der, von Ludovico Caracci zu Bologna gestifteten Accademia degli incamminati (aus incamminare, in den Gang bringen), von dieser Malerschule, welche eine vollständige Reform italienischer Kunst anstrebte, kamen Agostino und Annibale Caracci nach Rom, um die Arbeiten an der farnesischen Gallerie zu übernehmen. Agostino Caracci, der Meister der verführerischen in Kupfer gestochenen Compositionen, nicht weniger ausschweifend als Caravaggio, ward augenblicklich der genaueste Freund desselben, und alle drei Künstler mit ihrem Anhange warfen sich jetzt auf Cesari’s Schule, um sie zu vernichten.

Es ist unmöglich, den Todeshaß zu beschreiben, den Giuseppe Cesari von dieser Zeit an auf Caravaggio warf. Noch immer hatte er den Gedanken festgehalten, Michel Angelo werde bald von seinem liederlichen Leben zurückkehren, er werde bald ausgetobt haben, und von den Raufbolden und Spielern zu ihm, dem Cesari, von den feilen Dirnen aber zur trauernden Teresina reuig zurückkehren.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)