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statt Crescentien liebreich zu warnen, hatte vielmehr eine Freude an den Triumphen des Mädchens, und schätzte sich es selbst zur Ehre, den Baron in ihrem Hause zu sehen. Seit dieser Zeit wurde der gefühlvolle Ferdinand ganz vergessen, und auf eine Reihe von Briefen kam keine Antwort zurück. Darüber verfiel er je mehr und mehr in Betrübniß und Kummer, sann hin und her, sich die Ursache dieser Vernachläßigung zu enträthseln, und konnte sie durchaus nicht errathen, denn sein argwohnloses Herz dachte sich das nicht möglich, was wirklich schon sich begeben hatte, bis ihm durch den Brief eines Vetters aus der Stadt, welcher sein Verhältniß zu Crescentien kannte, die Augen eröffnet wurden. Jetzt erst sah er den Abgrund, in welchen seine Hoffnungen und Freuden versanken, namenloser Schmerz ergriff seine Seele, er konnte weder ruhen noch bleiben vor innerer Qual verrathener Liebe, und eilte in die Stadt, um seinem theilnehmenden Freunde sich in die Arme zu werfen, und mit ihm zu überlegen, welchen Entschluß er nun fassen sollte.

Liebreich empfing ihn der Vetter und tröstete ihn, aber das wunde Herz war nicht empfänglich für den Balsam des Trostes. „Wohlan denn, sagte der Vetter, es gibt Krankheiten, die man nur durch Krankheit heilen kann, und manche Wunden muß man erst tiefer aufreissen, wenn sie vernarben sollen. Begleiten Sie mich diesen

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_011.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)