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Der Spieler.

Jüngst kam zur Unterwelt auf Charons leichtem Kahn
Ein Meister in dem Spiel mit andern Seelen an.
Schnell ging der Ruf an ihn, sich vor dem Gott der Höllen,
Dem Richter dieses Reichs, zur Rechenschaft zu stellen.

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Drauf fing der Spieler an: „Was läugn’ ich, großer Fürst!

Mein Leben taugt nicht viel, wie du erfahren wirst.
Ich habe nichts gethan, als Karten abgezogen,
Und manchen Ehrenmann durch falsches Spiel betrogen.
Mein Glück blieb wandelbar, bald hatt’ ich nichts, bald viel,

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Und ob ich’s oft verschwur, doch ließ ich nicht vom Spiel.

Im Spielen starb ich auch, selbst mitten im Verlieren,
Im Aerger und im Fluch muß mich der Schlag berühren.
Ich habe meine Zeit nicht löblich hingebracht,
Doch der hats größre Schuld, der dieses Spiel erdacht,

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Und solche Blätter schuf; den mag die Straf’ erwarten.“


Hier griff er in den Rock und suchte seine Karten,
Und fand sie unversehrt, und mischte flink und frisch,
Lud selbst den Minos ein, und bat um Stuhl und Tisch.
„Gut, sagte Minos drauf, hier sollst du ewig mischen,

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Doch spielen sollst du nie an unterird’schen Tischen.“


Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_070.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)