Seite:Taschenbuch von der Donau 1824 295.jpg

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Nachdem man nun die aufgetragenen Speisen hinlänglich beschaut, mit Wohlgefallen und Beyfall kritisirt, das Unvermögen von allem zu kosten entschuldigt, und Sabine sich auch an die Tafel gesetzt hatte, wurde der Doktor, als ein der Anatomie kundiger, vom Fürsten aufgefordert, seine Zerlegungskunst an dem welschen Hahn zu zeigen. Der Doktor, welcher durch diesen Aufruf sich für geehrt hielt, machte sich ungesäumt an das Werk. Auch die andern Braten fanden ihre Meister. Alles wurde zerschnitten, herumgeboten, und nach Gusto angenommen oder ausgeschlagen; doch ging das Wenigste ungekostet vorüber. Und nun hub ein tiefes Stillschweigen an, man hörte nichts, als Gabeln und Messer rauschen, und – käuen. Es war nicht anders, als ob man sich herausgefordert hätte, einander in der Freßkunst zu besiegen, oder als ob man sich auf einen weiten Weg, wo nichts zu nagen und zu beißen seyn möchte, gefaßt machen und sich durch eine tüchtige Mahlzeit versorgen müßte, um sich vor dem Verhungern zu bewahren. Da war jede Scheidewand des Ranges eingesunken; in diesem wichtigen und geschmackvollen Geschäfte glich der Fürst dem Kommerzienrath, und die Bürgermeisterinn der Oberamtmänninn. Doch es war kein Wunder, alles war ja, wie man mit Einer Stimme versicherte, auf das delikateste zubereitet, und die Gäste hatten ihre Verdauungskraft

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Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_295.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)